Wie sieht die Zukunft des Wohnens aus?
Forscht zur Zukunft des Wohnens: Zukunftsforscherin Christiane Varga. Foto: Michael Divé
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Wie sieht die Zukunft des Wohnens aus?

Demografischer Wandel, gesellschaftliche Veränderungen und nicht zuletzt der Klimawandel werden das Wohnen der Zukunft bestimmen. Wir sprechen im BUWOG-Podcast GLÜCKLICH WOHNEN mit Zukunftsforscherin Christiane Varga über die Zukunft von Städten und Kommunen. Sie ist Soziologin, Autorin, Keynote Speakerin und Trend- und Zukunftsforscherin. Außerdem berät sie internationale Unternehmen als Expertin für Wohnen und nachhaltiges Bauen.

„Die Zukunft war noch nie so ungewiss wie heute“

„Wir kommen aus einer sehr linearen Zeit, die aber heute nicht mehr so linear ist“, so Varga. Die Welt ist globalisierter denn je und digital hoch vernetzt. „Die Komplexität der Prozesse ist wahnsinnig gestiegen.“ Durch die vielfältigen Möglichkeiten sind auch die Perspektiven der Zukunft gestiegen, daher lasse sich auch eher von „möglichen Zukünften“ sprechen. „Als Zukunftsforscherin versuche ich Knotenpunkte und Phänomene zusammenzudenken, die aktuell für Einzelpersonen und Unternehmen gar nicht so wahrnehmbar sind.“ Daraus tätige sie Ableitungen, wie sich die Gegenwart für ein sinnhafte Zukunft gestalten lässt.

Einen Fokus legt sie hierbei auf die Digitalisierung. Laut Varga ist die Digitalisierung „nicht nur technologisch, sondern sie ist vielmehr sozialer Natur und wie dürfen sie noch mehr in unsere Welt integrieren.“

Räume der Zukunft

In der Soziologie spricht man von drei Orten, an denen sich der Mensch aufhält: Das Zuhause, der Arbeitsraum und die öffentlichen und halböffentlichen Räume. Durch die „fluideren Lebensstile und eine stärkere Digitalisierung“ komme es zu einer stärkeren Vermischung dieser Orte.  „Die starke Verschmelzung dieser Orte hat besonders die Corona-Zeit zum Ausdruck gebracht“, so Varga.

 

Die Bereiche, in denen sich Menschen aufhalten, sollten vielfältiger gestaltet werden, findet die Zukunftsforscherin. Dazu zählt, dass Wohnraum, gerade durch zunehmendes Homeoffice, auch mehr zum Arbeiten gedacht werden muss. Gleichzeitig sollten Arbeitsplätze anders gestalten werden. Der Appell der Zukunftsforscherin: „Büros sollten Ästhetik und Funktionalität vereinen!“ Sie könnten Vargas Meinung nach angenehmer gestaltet werden, indem verschiedene Zonen entstehen, die durch Mitarbeitende je nach Arbeitsauftrag unterschiedlich genutzt werden können.

 

Im privaten Wohnraum gibt es seit Jahren den Trend des „Aufbrechens der Strukturen“. Die Räume in einer Wohnung oder einem Haus hatten früher eine sehr klare Definition der Funktionsweise. So bestand in vielen Haushalten ein Esszimmer als ein Raum, der nur zum Verzehr von Speisen genutzt wurde. Als Gegenentwicklung dazu sind Konzepte von sehr großen, loftartigen Wohnungen entstanden, die sich allerdings auch nicht als Optimum erwiesen haben, so Varga im Interview. „Daher sind neue Ideen und Konzepte von Grundrissen für die Zukunft gefragt, die die vielfältigen Bedürfnisse von Familien und Singlehaushalten berücksichtigen.“

Die Stadt der Zukunft

Zukunft Schwammstadt: BUWOG-Projekt 52° Nord in Berlin. Foto: Michael Divé
Zukunft Schwammstadt: BUWOG-Projekt 52° Nord in Berlin. Foto: Michael Divé

Wie sehen Quartiere und Städte der Zukunft aus? Unterschiedlichste Szenarien wie Schwammstadt, 15-Minuten-Stadt oder autofreie Stadt gehen mit der – skizzierten – Zukunft von Wohnorten einher. Christiane Varga sieht eine Gefahr in der willkürlichen, pauschalen Übernahme solcher Trends. „Es handelt sich um Konzepte, die im Einzelnen durchaus Sinn machen, aber es muss dringend geprüft werden, wie notwendig und umsetzbar es am jeweiligen Standort ist.“

 

Unbestritten ist, dass sich zukünftig vermehrt Hitzezonen in Städten bilden werden. „Da kommt das Thema Schwammstadt zum Einsatz“, ist sich Christiane Varga sicher. Dieses Konzept bietet die Möglichkeit, dass Regenwasser durch eine stärkere Begrünung besser aufgenommen und verdunstet werden kann.

 

Das Thema autofreier Städte oder Innenstädte mache ebenfalls stellenweise Sinn, findet sie. Denn Statistiken zeigten, dass zum Beispiel in Kopenhagen – eine Stadt mit vielen autofreien Zonen – die glücklichsten Kinder weltweit leben. „Diese dort vorliegenden Strukturen ermöglichen Kindern schon einen sehr frühen alleinigen Schulweg sowie ein freies Spielen mit anderen Kindern direkt vor der Haustür. Diese positiven Effekte sollten die Grundlage bei der Kommunikation der Idee der autoarmen Stadt sein“, rät Varga. Denn damit würde man weniger den Eindruck vermitteln, dass den Menschen bei autofreien Konzepten etwas „weggenommen“ werden soll.

 

Auch der demografische Wandel hat einen großen Einfluss auf die Quartiersentwicklung und die Städteplanung der Zukunft: „Die Gesellschaft wird zwar immer älter aber, sie bleibt auch länger jung!“ Ergo ist die Zeit der Phase, in der ein Mensch gepflegt werden muss, kürzer. Die Devise sollte laut Varga sein: „Autonom, aber in Gemeinschaft“. Es brauche daher mehr Lösungen, die zwischen dem Leben allein im Einfamilienhaus und einem Altenheim liegen. „Es gibt dazu auch schon viele Projekt, wie das Peter Rosegger Pflegewohnheim bei Graz.“. Das ist ein zum großen Teil aus Holz gebautes Passivhaus mit großen Fenstern, das dadurch sehr lichtdurchflutet ist. Die zu pflegenden Menschen sind in einer Art Wohngemeinschaft untergebracht. So wird mittels gemeinschaftlich genutzter Räume versucht, die Interaktion der Bewohnenden zu steigern.

 

Revitalisieren statt abreißen: URBANAUTS geben alten Geschäftslokalen eine Zukunft.
Revitalisieren statt abreißen: URBANAUTS geben alten Geschäftslokalen eine Zukunft.

„Für die Zukunft der Innenstädte sind auch die URBANAUTS aus Wien ein tolles Beispiel“, erklärt die Zukunftsforscherin. Sie haben aus einer Vielzahl leerstehender Ladenlokale einen Mix aus Hotelzimmer und Ferienwohnung gestaltet. Das Konzept der URBANAUTS ist Österreich schon lange etabliert und läuft sehr erfolgreich. Je nach Standort gibt es Kooperationen mit Bäckereien und Fitnessstudios, deren Leistungen die Besucher:innen teilweise kostenlos nutzen können. Zukünftig könnten Innenstädte einen „viel größeren Nutzungsmix“ haben, um gerade dem entgegenzuwirken, dass nur noch Filialen großer Konzerne, die Innenstädte dominieren.

 

Häufig steht solchen Zukunftsprojekten in der Praxis  jedoch die Gesetzgebung im Wege. „Veränderung setzt also auch gewisse Gesetzesanpassungen voraus.“ Es mag eventuell mühsamer und finanziell aufwändiger sein, innovativ zu planen und zu bauen, aber Christiane Varga appelliert an Projektentwickler und Unternehmen, hartnäckig zu sein: „Statt ewig überlegen, viel mehr ausprobieren!“

 

Jetzt ganze Folge anhören!

 

 

„Es sind sind neue Ideen und Konzepte von Grundrissen für die Zukunft gefragt“

Zukunftsforscherin Christiane Varga

 


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Michael Divé

Über den Autor

Michael Divé

Michael Divé ist Teamleiter Kommunikation und Pressesprecher der BUWOG in Deutschland.

Er leitet die Unternehmenskommunikation und die digitalen Kanäle der BUWOG in Deutschland und moderiert den Podcast GLÜCKLICH WOHNEN. Nach seinem Studium der Medienwirtschaft an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden und Toulouse (Frankreich) war er als Journalist und Medienmanager für verschiedene Medien und Unternehmen tätig.