Wohnen im Alter: Bauen für besondere Bedarfe
Das Büro Feddersen Architekten im BUWOG Podcast. Foto: Torsten Hahn
Podcast

Wohnen im Alter: Bauen für besondere Bedarfe

Die demografische Entwicklung stellt die Gesellschaft vor große Herausforderungen im Bereich des Wohnens im Alter. Diesem Thema widmet sich die aktuelle Folge des BUWOG-Podcast: Wie kann gesellschaftliche Teilhabe im Alter gelingen und was kann Architektur dazu leisten? Die Interviewgäste sind Jörg Fischer und Stefan Drees, geschäftsführende Gesellschafter der Feddersen Architekten mit innovativen Ansätzen zur Gestaltung altersgerechter Wohnräume.

 

Das Thema ist aktueller denn je: Allein in Deutschland fehlen rund 2,2 Millionen altersgerechte Wohnungen. Diese Lücke ist nicht nur eine Frage des Komforts, sondern auch der gesellschaftlichen Teilhabe und Integration von älteren Menschen und solchen mit besonderen Bedürfnissen. Dabei geht es nicht nur um bauliche Aspekte, sondern auch um die Schaffung eines Umfeldes, das ein selbstbestimmtes Leben und ein Altern in Würde ermöglicht, auch wenn Mobilität und die Fähigkeiten zur Selbstversorgung abnehmen.

 

In dieser Folge des BUWOG-Podcast erläutern die Architekten Jörg Fischer und Stefan Drees aktuelle Entwicklungen, Herausforderungen und neue Perspektiven zum Thema Wohnen im Alter. Das Büro Feddersen Architekten hat 40 Jahre Erfahrung, ist auf Immobilien für Pflege, Krankenhäuser und das Gesundheitswesen spezialisiert und hat für das Quartier BUWOG SPEIHERBALLETT ein Gebäude speziell für Senior:innen konzipiert. Das Credo: eine wertschätzende und inkludierende Gestaltung. Ihr Engagement für das Universal Design will zukunftsorientierte Konzepte ermöglichen, die allen Nutzenden ein selbstbestimmtes Leben in zeitgemäßer Wohnlichkeit ermöglichen. Darüber hinaus ist das Büro im AKG aktiv, einer Initiative von Architekten für Krankenhausbau und Gesundheitswesen.

Der passende Wohnraum für jede Lebensphase

Im Umgang mit alten und kranken Menschen gab es in den letzten 70 Jahren einen Paradigmenwechsel. „In den 50er-, 60er- und 70er-Jahren standen nicht die Teilhabe und die Gleichberechtigung im Vordergrund, sondern die Versorgung“, ordnet Jörg Fischer die Ziele von Wohnen im Alter historisch ein. Die Versorgung erfolgte in den Nachkriegsjahrzehnten sowohl architektonisch als auch inhaltlich außerhalb der Gesellschaft. Pflegeheime vor den Toren der Stadt, große Krankenhauskomplexe, die jedoch wenig mit dem Leben des urbanen Raums interagierten.

 

Entwurf der Feddersen Architekten: Senior:innen-Immobilie im Quartier BUWOG SPE§ICHERBALLETT.
Entwurf der Feddersen Architekten: Senior:innen-Immobilie im Quartier BUWOG SPEICHERBALLETT.

Heute steht die Idee von Integration und Teilhabe im Vordergrund. Verschiedene Wohnformen für spezielle Bedürfnisse umfassen heute nicht nur stationäre Pflegeheime, sondern auch ambulante Wohnformen, wie beispielsweise Betreutes Wohnen, die ein selbstbestimmtes Leben im Alter erleichtern und möglichst lange ermöglichen. Bei der Entwicklung und Planung neuer Wohnformen erweist sich das Baurecht jedoch oft als hinderlich, da Gebäude für Menschen mit Einschränkungen rechtlich anders behandelt werden als reguläre Gebäude. Jörg Fischer merkt an, dass dies wenig Sinn ergibt, da Menschen mit besonderen Bedürfnissen oder Einschränkungen in allen Wohngebäuden anzutreffen sind und Beeinträchtigungen im Laufe des Lebens entstehen können.

 

Es bedarf einer Vielzahl von Wohnangeboten und Wohnformen für Menschen mit Pflegebedarf, die dennoch autonom bleiben möchten und können. Besonders herausfordernd ist es für ältere Menschen, bei denen erste Einschränkungen auftreten und die sich in einer niedrigen Pflegestufe befinden. Eine normale Mietwohnung ist für diese Betroffenen oft nicht mehr geeignet, ein Pflegeheim aber schlicht noch nicht notwendig.

 

Jörg Fischer warnt vor einer entstehenden „Wohnmonokultur“ und unterstreicht dies am Beispiel von Berlin. Die Idee einer expandierenden Stadt war hauptsächlich auf Familien und Menschen im Berufsleben ausgerichtet, während das Thema des Älterwerdens der Bewohnerschaft oft vernachlässigt wurde. Stattdessen plädiert er „für wachsende Quartiere mit einer Vielfalt an Wohnungsgrößen, um eine breite Zielgruppe anzusprechen.“ Wohnungen sollten in der Quartiersentwicklung so gestaltet werden, dass sie für Menschen in allen Lebensphasen geeignet sind und eine breite Mischung bieten.

Universal Design für integratives Wohnen und Leben

Viele Herausforderungen in einer alternden Gesellschaft. Und doch gibt es sie, die Positiv-Beispiele, von denen Planende und Bauende sich etwas abschauen könnten. Ein Beispiel für die Entwicklung eines integrativen Stadtquartiers ist das Quartier St. Leonhard in Braunschweig. Es umfasst verschiedene Einrichtungen wie stationäre Wohngruppen, betreutes Wohnen, Service-Wohnen, eine Tagesklinik, eine Arztpraxis, sogar ein kleines Theater mit angeschlossenem Café. Besonders in der Schweiz sind Genossenschaften derzeit Treiber von Innovationen auf diesem Gebiet und zeigen damit auf, wie vielfältige Wohnkonzepte erfolgreich umgesetzt werden können.

 

Ein zukunftsweisender Ansatz in Neubau und Umbau ist das Universal Design. Es zielt darauf ab, Gebäude und Umgebungen zu entwickeln, die für Menschen aller Altersgruppen und Fähigkeiten gleichermaßen zugänglich sind. Ein praktisches Beispiel hierfür ist die Entwicklung von barrierefreien Badezimmern. Früher waren ebenerdige Duschen lediglich als spezifische Merkmale für die Nutzung mit dem Rollstuhl bekannt. Heute sind ebenerdige, geräumige Duschen in modernen Bädern der Standard und stehen für Komfort, Wohnqualität und – für gutes Design. Stefan Drees: „Dieser ganzheitliche Ansatz strebt nach einem Design, das nicht ausgrenzt, sondern alle Nutzerinnen und Nutzer einbezieht und ihre Bedürfnisse berücksichtigt.“

 

Die Experten verdeutlichen, dass das Wohnen im Alter eine komplexe Herausforderung ist, die eine ganzheitliche und inklusive Herangehensweise erfordert. Das ist auch eine Frage der Haltung: Die Gesellschaft muss bereit sein, die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen, um eine bedarfsgerechte Wohninfrastruktur zu schaffen, die den vielfältigen Lebensentwürfen älterer Menschen gerecht wird. Mit dem Älterwerden der Babyboomer wird der Druck zur Veränderung weiter zunehmen, ist sich Jörg Fischer sicher: „Allein durch die Wucht und Größe der Babyboomer-Generation wird ein ganz anderer Druck zur Veränderung entstehen.“

 

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Michael Divé

Über den Autor

Michael Divé

Michael Divé ist Teamleiter Kommunikation und Pressesprecher der BUWOG in Deutschland.

Er leitet die Unternehmenskommunikation und die digitalen Kanäle der BUWOG in Deutschland und moderiert den Podcast GLÜCKLICH WOHNEN. Nach seinem Studium der Medienwirtschaft an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden und Toulouse (Frankreich) war er als Journalist und Medienmanager für verschiedene Medien und Unternehmen tätig.