Wie gestalten wir die soziale Stadt? Wie gehen nachhaltiger Neubau und leistbares Wohnen einher, gerade aktuell in Zeiten gestiegener Baukosten? Diese Fragen beschäftigen nicht nur die Politik, sondern auch die Verantwortlichen aus Bau- und Immobilienbranche sowie die Stadtgesellschaft. Eine Veranstaltungsreihe vom Verlag der Tagesspiegel zusammen mit der BUWOG sorgt für Diskurs. Und will konkrete Lösungen aufzeigen.
Beim ersten Evening-Talk der Reihe Stadt.Raum.Mensch ist auch eine Podcast-Folge entstanden, die etwas anders klingt, als die üblichen: Der erste Live-Podcast der BUWOG ist da! An der rund 90-minütigen Abendveranstaltung mit Podiumsdiskussion nehmen neben BUWOG-Geschäftsführerin Eva Weiß auch die Architektin Julia Dahlhaus, der Stadtplaner Georg Balzer sowie Wiebke Ahues, Vorstandmitglied der Architektenkammer Berlin, teil.
Politische Vertreter in der Runde sind der Bundestagsabgeordnete Daniel Föst (FDP) und Julian Schwarze (Grüne) als Mitglied des Abgeordnetenhauses.
Den Abschluss der Veranstaltung bildet eine Präsentation von Leonie Wipf und Veit Burgbacher von Architects 4 Future. Diese Bewegung einer neuen Generation von Bauenden und Planenden hat zehn Thesen für die Bauwende formuliert und richtet damit konkrete Appelle an Politik und Branche für besseres, nachhaltiges Planen und Bauen.
Die soziale Komponente in der Immobilienwirtschaft
Wegweisend für einen sozialen und nachhaltigen Wohnungsbau sind drei Buchstaben: ESG. Vieles rund um Immobilienneubau und Bestandsverwaltung ist auf ESG, also Environmental, Social und Corporate Governance ausgereichtet. ESG vereint Kriterien zur Berücksichtigung von Umwelt-, Nachhaltigkeits- und Sozialfragen innerhalb der Unternehmensführung. BUWOG-Geschäftsführerin Eva Weiß: „Zukunftsorientierte Unternehmen bauen auf diesen drei Säulen ihre Aktivitäten auf. Das bedeutet, dass nicht nur bauliche und ökonomische Faktoren im Fokus stehen, sondern die soziale Dimension des Bauens zunehmend an Relevanz gewinnt.“
Dazu zählen neben der Verwendung gesunder Baustoffe und einer gewährten Kreislaufwirtschaft auch die Effizienz eines Gebäudes vor und während des Betriebs. Ein Baustein dafür, dass Wohnen leistbar gelingen kann.
Die BUWOG verfolgt in der Quartiersentwicklung den Ansatz, ein soziales Gefüge in Gemeinschaft herzustellen, erklärt Weiß. Dafür ist wichtig, einen Wohnungsmix zu erzeugen, der nicht nur eine Zielgruppe bedient, sondern Wohnraum entsteht, der für alle etwas bietet – „vom Single bis zur Großfamilie“, so Weiß. Ausgewogene Mischung der Bewohnerschaft kommt zustande „durch Personen, die sich wesentlich bei Alter, Herkunft, Einkommen und den vielfältigen Lebensentwürfen und der Lebenssituation unterscheiden.“ So fördert Quartiersentwicklung den interkulturellen Austausch und „verhindert die Ausgrenzung und die Entstehung benachteiligter Wohngegenden“.
Wie kann das aber konkret gesteuert werden? Dafür hat die BUWOG einen Wohnflächenmischungskoeffizient etabliert. Dieser besagt: Gibt es in einem Quartier kompakte Single-Wohnungen mit 40 Quadratmetern, dann muss es zugleich die doppelt so große Familienwohnungen geben mit 80 Quadratmetern.
Bauliche und zugleich soziale Mischung, die in der Umsetzung auch bedeutet, dass Wohnraum für unterschiedliche Budgets entsteht. Denn nicht nur geförderte Wohnungen sind Mangelware, erklärt Weiß. Sondern zunehmen auch Wohnraum, den sich eine Mittelschicht leisten können muss: „Angestellte von Feuerwehr, Mitarbeitende im Krankenhaus oder Menschen in Teilzeit verdienen zu viel um einen Wohnberechtigungsschein zu bekommen. Und sie verdienen gleichzeitig zu wenig um sich eine Eigentumswohnung als Teil der Altersvorsorge leisten zu können. Das ist ein echtes Problem.“
Weniger Hürden würde das Bauen günstiger machen
Trotz vieler guter Ansätze ist die Bezahlbarkeit von Immobilien eines der wichtigsten und wohl drängendsten Themen des Wohnungsmarktes in den Ballungsräumen. Dr. Benjamin Seifert, der Leiter der Datenanalyse und Beratung der Civey GmbH, hat im Rahmen der Veranstaltung die aktuelle Einstellung der Gesellschaft zum Thema Immobilien und Immobilienkauf präsentiert. Das Marktforschungsinstitut hat ausgewertet, dass nur ein Drittel der Befragten mit dem aktuellen Angebot am Wohnungsmarkt zufrieden sind. In den deutschen Großstädten ist die Unzufriedenheit deutlich höher als in ländlichen Gegenden. Es zeigt sich ebenfalls ein Ungleichgewicht zwischen den Generationen. So sind nur 20 Prozent der unter 40-Jährigen zufrieden mit dem verfügbaren Wohnungsangebot. Die Umfragen bringen außerdem zum Ausdruck, dass die Befragten es für immer unwahrscheinlicher halten, dass sie sich selbst eine eigene Wohnung leisten können. Viel zu tun, um mehr Wohnungsangebot zu schaffen.
Welche konkreten bürokratischen Hürden abgebaut werden können, die einerseits die Bauzeiten verlängern, andererseits die Baukosten beeinflussen, das wurde im anschließenden Paneltalk vertieft. Eine erhebliche Herausforderung für deutschlandweit agierende Bauträger ist im Föderalismus begründet: „Für ein identisches Konzept eines Gebäudes, das bereits in dieser Form gebaut wurde, wird an einem anderen Standort wieder ein Antrag verlangt und es kommt erneut zu einer Diskussion mit jeder einzelnen Kommune oder Gemeinde“, erklärt Weiß. Gerade diese Thematik führt dazu, dass Bauvorhaben einen sehr langen Vorlauf haben oder immer wieder modifiziert werden müssen.
Über die Chancen des seriellen und modularen Bauens sind sich die Teilnehmenden der Diskussion einig. Gerade im Hinblick auf den Wohnungsmangel kann diese Bauweise eine gute Möglichkeit darstellen, um der Knappheit entgegenzuwirken.
Jetzt ganze Folge hören!
„Angestellte von Feuerwehr, Mitarbeitende im Krankenhaus oder Menschen in Teilzeit verdienen zu viel um einen Wohnberechtigungsschein zu bekommen. Und sie verdienen gleichzeitig zu wenig um sich eine Eigentumswohnung als Teil der Altersvorsorge leisten zu können.“
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