Die Klimaziele von Paris verpflichten die Weltgemeinschaft dazu, den globalen Temperaturanstieg auf unter 2 Grad zu begrenzen. Eine der größten Herausforderungen in diesem Zusammenhang ist der Verkehrssektor: Auto & Co verursachen einen erheblichen Anteil der Treibhausgas-Emissionen. Wir sprechen mit zwei Expertinnen: Wie gelingt die Verkehrswende und welche Rolle spielen Neubau und Bestandsquartiere dabei?
„Solange Autos unsere Städte dominieren, verdrängen sie das gesellschaftliche Leben von unseren Straßen“
Der Verkehrssektor ist einer der Hauptverursacher von Treibhausgas-Emissionen, insbesondere durch den Einsatz von fossilen Brennstoffen wie Benzin und Diesel. In unseren Städten werden rund 23 Prozent der globalen energiebedingten CO2-Emissionen durch den Verkehrssektor verursacht. Viele Städte sind seit den 1950er Jahren klassisch auf das Auto ausgerichtet. Das Auto steht nicht nur um Zentrum des Denkens, sondern auch im Zentrum der Straßen: Die Breite von Radwegen und Bürgersteigen an der Seite der Autospuren musste sich bei der Wegeplanung unterordnen.
Doch das ändert sich, im Denken und in der Städteplanung. „Solange Autos unsere Städte dominieren, verdrängen sie das gesellschaftliche Leben von unseren Straßen“, erklärt Tanja Terruli vom Verkehrsclub Deutschland e.V. (VCD) im BUWOG-Podcast. Sie ist Leiterin des Projekts „Straßen für Menschen“.
Ihre Forderungen: Mehr, breitere und komfortablere Verkehrswege und Begegnungszonen für Fußgänger:innen und Radfahrende im Stadtraum und Tempo 30 innerorts. Beim Umbau der Städte gelte es, nicht mehr autozentriert zu planen und stattdessen den Platz gerechter zu verteilen. Ihre Vision: „Mobilität der Zukunft schont die Umwelt, ist sicher, ist sozial gerecht und wir möchten, dass alle Menschen selbstbestimmt am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.“
Verkehrswende: Das Quartier als Chance
Losgelöst vom Umbau der Städte und der in diesem Zuge gesellschaftlich zu verhandelnden Flächengerechtigkeit im Umgang mit öffentlichem Raum, bietet der Neubau die Chance, in Sachen Verkehrswende alles richtig zu machen, erklärt Nicola Krettek, Leiterin des Projekts „Bundesweites Netzwerk Wohnen und Mobilität“ beim VCD.
Im Neubau könnten Politik und Immobilienwirtschaft vieles tun, um die Weichen in Richtung Zukunft zu stellen. Etwa beim Stellplatzschlüssel, der Bauenden vorschreibt, wie viele klassische PKW-Stellplätz bei einem Neubauvorhaben einzuplanen sind. „Ein Ziel ist, wegzukommen von den hohen Stellplatzschlüsseln, die es zurzeit noch gibt und alternative Methoden im Bereich der Mobilität als gleichwertig anzuerkennen“, so Krettek. Denn Studien beweisen: Wo viele Stellplätze verfügbar sind, da sorgen dafür, dass Autofahren und das damit verbundene Parken bequem ist. Wird es hingegen bei den Stellplätzen eng, steigen mehr Menschen auf ÖPNV um, wechseln auf das Fahrrad oder entdecken, dass man viele Wege doch auch zu Fuß laufen könnte.
Die Statistik verdeutlicht, dass ein Großteil des privaten Autoverkehrs problemlos vermeidbar wäre: „Dreiviertel des Verkehrs beginnen oder enden an der Haustür“, erklärt Expertin Nicola Krettek. Und: Die typischen Wege, die Bürger:innen mit dem Auto zurücklegen, das sind nicht die Autoreisen in den Familienurlaub. Sondern das sind die Wege zum Bäcker oder in den Supermarkt. Also Distanzen, die man umweltschonend und gesundheitsfördernd auch nichtmotorisiert zurücklegen könnte.
Entsprechend groß ist die Bedeutung der Gestaltung der wohnraumumgebenden Wege und Mobilitätsangebote beim Thema Verkehrswende.
Charta für intelligente Mobilität im Wohnquartier
Klar ist: Die Mobilität muss sich ändern. Viele Unternehmen sind aktiv auf dem Weg. Auch die BUWOG plant, wo immer es geht, autoarme und zugleich mobilitätsstarke Quartiere, sorgt dafür, dass das Auto aus dem Straßenraum verschwindet, möglichst unterirdisch in der Tiefgarage abgestellt wird und sie gibt in der Quartiersentwicklung Fahrrad- und Fußgängerverkehr bestmöglich den Vorrang. Ähnlich tun es viele andere Unternehmen, die der VCD im neu initiierten „Netzwerk Wohnen und Mobilität“ vereint. Diese Initiative hat jüngst eine Charta formuliert mit dem Titel „Intelligente Mobilität im Wohnquartier“.
Mit der Erstzeichnung haben sich bereits 49 Vertreter:innen der Wohnungswirtschaft, von Städten und Gemeinden sowie Planende und Mobilitätsdienstleister dazu bekannt, in Zukunft gemeinschaftlich nachhaltige und wirtschaftliche Mobilitätsangebote in ihren Projekten zu planen und bereitzustellen.
Mehr Informationen auf der Webseite des VCD: www.intelligentmobil.de
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