Zu Gast im BUWOG-Podcast: Prof. Dr. Frauke Gerder-Rohkamm vom Institut für Bauwesen an der Fachhochschule Kiel. Mit ihr sprechen wir über das Thema Green Building, beleuchten Konzepte, Herausforderungen und die Bedeutung einer ganzheitlichen Lebenszyklusanalyse bis hin zu den Hürden bei der Umsetzung.
Angesichts Klimawandel und Ressourcenknappheit ist Green Building von großer Bedeutung. Es handelt sich dabei um mehr als nur begrünte Fassaden und Dächer. Green Building ist ein umfassendes Konzept im Bauwesen, das darauf abzielt, Gebäude umweltfreundlicher und ressourceneffizienter zu gestalten, zu betreiben und gegebenenfalls zurückzubauen. Green Building setzt auf die Verwendung nachhaltiger Materialien, energiesparender Technologien und umweltfreundlicher Bauweisen. Der ganzheitliche Ansatz betrachtet dabei den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes, von der Planung und Konstruktion über den Betrieb bis hin zum Rückbau und zur Wiederverwendung von Materialien. „Was passiert, wenn ein Gebäude seine Lebensdauer erreicht hat und zurückgebaut werden muss?“, fasst Prof. Gerder-Rohkamm die Kernfrage zusammen und verdeutlicht gleichzeitig die Besonderheit im Planungsprozess: „Wir betrachten bereits zu Beginn das Ende.“
Planung der Zukunft durch Rückbesinnung
Es sind weniger neue Bauweisen als vielmehr traditionelle Bauweisen und Prinzipien, die im Rahmen des Green Building wieder an Bedeutung gewinnen, betont die Expertin. Die alten Bauweisen müssen wieder verstanden, neu bewertet und an die heutigen Bedürfnisse und Zielsetzungen angepasst werden. „Das Wissen ist bereits vorhanden, wir müssen uns nur trauen, das Bauen neu zu erlernen“, sagt Prof. Gerder-Rohkamm. Planende sind bereit, neue Wege zu gehen. In der Praxis ist jedoch ein rechtlicher Aspekt problematisch: die Gewährleistung. Die Umsetzung neuer Bauweisen ist für Planende nach wie vor mit Risiken verbunden.
In Zukunft ist es essenziell, dass Baumaterialien leicht trennbar sind und Konstruktionen einfach zurückgebaut werden können. Ein Beispiel hierfür sind Stahlbetondecken, die durch Holzbetondecken ersetzt werden können und später besser getrennt werden können. Ein weiteres Beispiel sind verschweißte Stahlbauteile. Die Umstellung auf geschraubte Verbindungen bietet beim Rückbau praktische Vorteile, da sie leichter gelöst werden können. Obwohl dem Holzbau viel Potenzial zugeschrieben wird, wird Beton nur schwer komplett ersetzt werden können. Es ist sinnvoller, Beton gezielt einzusetzen und auf gute Alternativen zurückzugreifen, wo immer möglich.
Sanierung im Fokus
Während im Neubausektor bereits viel Wissen für eine nachhaltige Planung vorhanden ist, liegen die größten Potenziale in der Sanierung von Bestandsgebäuden. 90 Prozent der vorhandenen Bauten stammen aus der Zeit vor 2000, wobei insbesondere Nachkriegsbauten und Gebäude aus den 60er und 70er Jahren schnell modernisiert werden sollten. Es ist ökologisch sinnvoll, Bestandsgebäude möglichst lange zu nutzen, jedoch müssen sie den heutigen Standards gerecht werden. Durch Hinterlandbebauung oder Aufstockungen, also Nachverdichtung, kann der Ressourcenbedarf für die Schaffung neuen Wohnraums deutlich gesenkt werden.
Eine multidisziplinäre Planung ist bei der Sanierung besonders wichtig, betont Prof. Gerder-Rohkamm. Es wird die Expertise von Architekt:innen, Statiker:innen und anderen Baubeteiligten benötigt, um optimale Lösungen zu entwickeln. In der Praxis können auch serielle Sanierungsansätze geeignet sein, um gleichzeitig die Kosten für schwer verfügbare Handwerksleistungen zu senken. Eine sorgfältige Planung mag zu Beginn kostspielig erscheinen, führt jedoch langfristig zu einer Wertsteigerung der Immobilie.
Pfandsystem für Baumaterialien
Um nachhaltiges Bauen zu fördern, bedarf es regulatorischer Anpassungen: „Ähnlich wie beim Pfandsystem müssen wir auch bei der Herstellung von Baustoffen die Hersteller stärker in die Verantwortung nehmen“, sagt die Professorin für Green Building. Denn: Wenn Hersteller gezwungen wären, ihre Produkte zurückzunehmen, entstünden hohe Kosten für den Rückbau, die Entsorgung und die Wiederaufbereitung problematischer Materialien. Dies würde dazu führen, dass die Hersteller bzw. Händler in Zukunft weniger solcher Materialien anbieten und stattdessen auf verbesserte Alternativen setzen würden. Durch diese Maßnahmen wären Hersteller dazu gezwungen, sich anzupassen und umweltfreundlichere Produkte herzustellen, was letztendlich die Förderung des nachhaltigen Bauens unterstützt.
Ob Neubauquartier, Einfamilienhaus oder Bestandssiedlung aus den 1970er-Jahren: Immobilien und der Umgang mit den eingesetzten Ressourcen sind ein wichtiger Hebel für mehr Nachhaltigkeit.
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