Die Auftaktfolge der neuen Staffel 8 des BUWOG-Podcasts „Glücklich wohnen“ widmet sich dem Thema „Bauen im Bestand“. Zu Gast ist Sarah Dungs, Geschäftsführerin der Greyfield Group und erste Vorsitzende des Bundesverbandes Bauen im Bestand (BiB). Im Jahr 2023 wurde Sarah Dungs in die Forbes-Liste „Thirty under Thirty“ aufgenommen. Damit wurde ihre engagierte Arbeit in der Immobilienbranche gewürdigt. Im Gespräch erläutert sie, warum die Revitalisierung von Bestandsgebäuden nicht nur aus ökologischer, sondern auch aus ökonomischer Sicht eine entscheidende Rolle für die Zukunft spielt.
Der Bausektor ist einer der größten Verursacher von CO2-Emissionen: Rund 40 Prozent der vom Menschen verursachten CO2-Emissionen entstehen beim Bau von Gebäuden. Deshalb ist es wichtig, den Lebenszyklus von Gebäuden zu verlängern und bestehende Gebäude zu revitalisieren. Doch noch immer wird doppelt so viel neu gebaut wie saniert – eine Entwicklung, die angesichts der Klimaziele überdacht werden muss.
Sarah Dungs hat sich auf die Revitalisierung von Bestandsgebäuden spezialisiert. „Ich habe mein Herz an die alten, abgerockten Immobilien verloren“, beschreibt sie ihre Leidenschaft für Bestandsimmobilien. Diese Leidenschaft möchte sie weitergeben und andere dazu motivieren, ebenfalls die Chancen und Möglichkeiten in der Revitalisierung zu erkennen. Anfangs sei die Greyfield Group ein Exot in der Branche gewesen, erinnert sich Sarah Dungs. Doch das hat sich geändert: „Mittlerweile sind wir die absoluten Vorreiter, gefühlt sind wir nicht mehr der Geisterfahrer, sondern fahren vorweg“.
Die Greyfield Group hat sich eine „Ewigkeitsstrategie“ vorgenommen. Damit will das Unternehmen über die üblichen Ziele hinaus ein dauerhaftes Vermächtnis schaffen. Die Greyfield Stiftung gehört zur Strategie. Ein gutes Beispiel für die Arbeit des Unternehmens ist die ehemalige FUNKE-Druckerei in Essen-Holsterhausen. Die Druckerei wurde zu einer modernen, voll vermieteten Immobilie umgebaut. Das Projekt zeigt, wie man Ressourcen schonen und Flächen für die Bevölkerung wieder nutzbar machen kann.
CO2-Emissionen reduzieren: Bauen im Bestand als Schlüssel
In der Immobilienbranche wird oft Abriss und Neubau favorisiert, doch Sarah Dungs weist auf eine wesentliche Wahrheit hin: Nur durch die Revitalisierung des Bestandes können die Klimaschutzziele erreicht werden. Die Bundesregierung hat sich ehrgeizige Ziele wie CO2-Reduktion und Abfallvermeidung gesetzt. Diese können aber nur durch die Nutzung des Gebäudebestandes in nennenswertem Umfang erreicht werden.
Bei der Sanierung von Bestandsgebäuden entstehen derzeit zwischen 100 und 300 kg CO2 pro Quadratmeter, bei Neubauten zwischen 800 und 1.000 kg CO2 pro Quadratmeter. Während Neubauten im Betrieb oft geringere CO2-Emissionen aufweisen, zeigt die Lebenszyklusbetrachtung ein anderes Bild: Fast zwei Drittel der CO2-Emissionen von Immobilien entstehen bereits in der Bauphase. Die Verantwortung von Unternehmen ist es, „diese Ziele umzusetzen und dafür Lösungen zu erarbeiten. Das Nachhaltigste, was wir dafür tun können, ist Bauen im Bestand“.
Wirtschaftlichkeit und das richtige Mindset für Revitalisierung
Warum erscheint der Neubau nach wie vor wirtschaftlich attraktiver als die Revitalisierung bestehender Gebäude? Die Antwort liegt in der jahrzehntelangen Fokussierung auf den Neubau, die sich in den Prozessen, Standards und Denkweisen der Branche widerspiegelt. Der Neubau erfordert andere Prozesse, andere Werkzeuge und ein anderes Mindset auf der Baustelle als das Bauen im Bestand. Sarah Dungs ist überzeugt: Wenn wir verstehen, dass wir die Probleme nicht mit der Neubaulogik, sondern mit der Bestandslogik lösen können, dann ist die Bestandssanierung in den meisten Fällen die wirtschaftlichere Lösung.
Mit der Einführung der CO2-Bepreisung wird sich die Wirtschaftlichkeit der Revitalisierung von Bestandsgebäuden weiter verbessern und die wirtschaftlichen Vorteile gegenüber dem Neubau verstärken.
Bei der Revitalisierung von Bestandsimmobilien ergeben sich häufig Herausforderungen, die ein Umdenken erfordern. Der Fokus von Planern und ausführenden Firmen sollte auf den Aspekten liegen, die am Gebäude noch funktionieren oder für die Revitalisierung genutzt werden können. Eine ausschließlich problemorientierte Denkweise ist nicht zielführend. Es ist wichtig, Spaß an der Problemlösung zu haben, betont Sarah Dungs. Zudem spiele der Dialog im Genehmigungsverfahren eine entscheidende Rolle. Eine Idee für die Nachnutzung zu finden, sei dagegen oft weniger eine Herausforderung, denn „die Nutzung ergibt sich durch die Menschen vor Ort“. Dem Bauen im Bestand sind kaum Grenzen gesetzt: „Wenn ich in eine komplett abgerockte Immobilie gehe, bekomme ich eigentlich immer ein Lächeln im Gesicht“, sagt Dungs. Voraussetzung für eine erfolgreiche Revitalisierung ist allerdings, dass die Bausubstanz in einem Zustand ist, der eine Umnutzung zulässt und dass Menschen in der Umgebung leben, damit das Gebäude in der Nutzung wieder mit Leben gefüllt werden kann.
Ein Netzwerk für Wandel
Mit dem Verband für Bauen im Bestand e.V. hat Sarah Dungs 2023 eine Plattform mitbegründet, die sich ausschließlich dem Thema Bauen im Bestand widmet und konkrete Lösungen erarbeitet. Dungs wollte einen Verband gründen, der sich ganz diesem wichtigen Thema widmet und effektive Lösungen anbietet. „Mitmachen kann jeder, der den Wandel in der Immobilienwirtschaft aktiv mitgestalten will“. Aus dem Verein heraus ist zum Beispiel der „BiB-Check“ entstanden. Ein Instrument, mit dem Revitalisierungsprojekte strukturiert bewertet und optimiert werden können.
Auch wenn sich der Wandel in Wirtschaft, Forschung und Lehre langsam vollzieht, sind weitere Veränderungen notwendig. Der Verband wird sich verstärkt in der Lehre engagieren und das Thema Bauen im Bestand in die Ausbildung integrieren. Die geplante „BIB-Academy“ soll Module anbieten, die in bestehende Studiengänge integriert werden können, da ein eigener Studiengang viel zu lange dauern würde.
Wie sportliche Erfahrung die Karriere prägt
Sarah Dungs bringt nicht nur ihre Expertise in die Immobilienentwicklung ein, sondern kann auch auf eine beachtliche Karriere im Feldhockey zurückblicken. Bereits im Alter von drei Jahren begann sie mit dem Sport und spielte später in der Hockey-Bundesliga. Diese sportliche Laufbahn hat ihr Fähigkeiten vermittelt, die sie heute in ihrer beruflichen Tätigkeit nutzt. Beim Hockey lernte sie Disziplin, Verantwortungsbewusstsein und Selbstmotivation – Eigenschaften, die ihr auch im Beruf helfen. Besonders wichtig war für sie das Führungsverständnis, das sie durch Beobachtungen und Erfahrungen mit Trainern entwickelte. Auch die Fähigkeit, sich anzupassen, um von einem Rückstand wieder nach vorne zu kommen, ist eine Schlüsselkompetenz, die sie sowohl im Sport als auch in der Immobilienbranche für unerlässlich hält.
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„Wenn ich in eine komplett abgerockte Immobilie gehe, bekomme ich immer ein Lächeln im Gesicht.“
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