Von der Baukultur zur Umbaukultur: Wie muss sich das Bauen ändern?
Beispiel für gute Umbaukultur: Siegburg Michaelsberg
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Von der Baukultur zur Umbaukultur: Wie muss sich das Bauen ändern?

Die neue Staffel des BUWOG-Podcasts beginnt. Zum Staffelstart ist Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur zu Gast.

 

Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur. Foto: Mezger
Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur.

Der Begriff der „Baukultur“ wird oftmals als abstrakt empfunden. Doch Baukultur hat eine weitreichende Bedeutung und mehr Bodenhaftung als vermutet. Inzwischen wird das deutsche Wort sogar international verwendet und hat Einzug gefunden etwa in die englische Sprache, wo „Baukultur“ ein feststehender Begriff ist. So wie die Worte „Kindergarten“, „Zeitgeist“ oder „Fernweh“ auch im Englischen verwendet werden.

 

Baukultur wird assoziiert mit einer hohen Qualität im Planen und Bauen und insbesondere mit klima- und gesellschaftsverträglichem Bauen. Hier gewinnt insbesondere der Umbau bestehender Bauwerke und Infrastrukturen an Bedeutung, erläutert Reiner Nagel. Zum Auftakt der neuen Podcast-Staffel ist der Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur zu Gast. Die öffentlich-rechtliche Stiftung setzt sich für qualitätsvolles und reflektiertes Planen und Bauen ein und veröffentlicht alle zwei Jahre den Baukulturbericht für die Bundespolitik. „Baukultur ist wesentlich, um eine Umwelt zu schaffen, die als lebenswert empfunden wird“, so Nagel.

 

Baukultur hat neben sozialen, ökologischen und ökonomischen Bezügen auch eine emotionale und ästhetische Dimension. Ihre Herstellung, Aneignung und Nutzung ist ein gesellschaftlicher Prozess, der auf einer breiten Verständigung über qualitative Werte und Ziele beruht.

Zweite Chance für alte Bestandsbauten

Faktoren wie gestiegene Zinsen und Materialkosten machen Neubauten wirtschaftlich derzeit herausfordernd. Auch Ressourcenmangel und knappes Bauland grenzen Neubauvorhaben ein. Die Konsequenz: „Das Umbauen bestehenden Baubestands ist also nicht nur aus Nachhaltigkeits- und Klimaaspekten attraktiv für Bauschaffende und gewinnt an Bedeutung“, so Reiner Nagel.

Neubau ergänzt historischen Bestand: Beispiel Siegburg Michaelsberg
Neubau ergänzt historischen Bestand: Beispiel Abtei Michaelsberg

Zudem zählen 38 Prozent des deutschen Gebäudebestandes zur Nachkriegsmoderne. Würde man diese Bauten der 1950er und 1960er Jahre abreißen, um Platz für Neubauten zu schaffen, würde dies zu einem Ausstoß in Höhe von über 70 Tonnen CO2 führen. Ein Vorgehen, das schon unter Umweltaspekten gar nicht vertretbar sei.

 

Außerdem: „Das Umbauen von Gebäuden schafft oftmals eine ganz besondere Atmosphäre, die sich mittels eines Neubaus so nicht realisieren lässt“, gibt Nagel zu bedenken. „Handelt es sich um ein schönes und gutes altes Gebäude, ist immer abzuwägen, ob keine Möglichkeit besteht, das Objekt in die Zukunft zu führen.“

 

In Deutschland gibt es 16,1 Million Einfamilienhäuser, ein erhebliches Potential für den Umbau. „Ältere Menschen, die ursprünglich ein Eigenheim selbst erbaut oder gekauft haben, können durch den Einbau eines separaten Eingangs im oberen Stockwerk eine neue Wohnung schaffen. Wenn sich nur zehn Prozent der Hauseigentümer:innen zu diesem Schritt entschließen, lassen sich so 1,6 Millionen neue Wohnungen aus vorhandenem Bestand generieren – eine große Chance.“

 

Die Bundesstiftung Baukultur widmet daher auch den Baukulturbericht 2022/23 dieser Thematik. Dieser trägt den Titel „Neue Umbaukultur“.

Gelungener Umbau eines alten Bauwerks

Ein gutes Beispiel für gelungenen Umbau ist etwa die im Jahr 1064 gegründete Abtei Michaelsberg. Das Kloster liegt auf dem höchsten Punkt der Stadt Siegburg, auf einem Hügel aus vulkanischem Basalt.

 

Mit viel Gespür für Historie und Materialien wurde die ehemalige Benediktinerabtei zu einem Tagungszentrum ausgebaut und mit einem Neubau, dem sogenannten Forum, ein harmonisches Gesamtensemble geschaffen.

 

Die Trennung von Neu und Alt wird mittels zweier schmaler Brücken überwunden. Das Forum wirkt besonders durch seine Gliederung dem Ursprungsbau zugehörig. Der zweigeschossige Sockel orientiert sich mit seinem Natur-Bruchstein an der historischen Abtei-Fassade. Darauf folgen ein gläsernes Verwaltungsgeschoss, darüber ein Restaurant, sowie Tagungs- und Büroräume. In der Abtei sind Hotelzimmer, Rezeption und Seminarräume untergebracht. Mit Eichenholz, Naturstein, Glas und daraus abgeleiteten Farben, ist eine Innengestaltung entwickelt worden, die das Alte und Neue zusammenbringt. Der Leitgedanke des Entwurfes war, den menschlichen Maßstab einzuhalten.

 

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 Quo vadis Innenstadt?

Auch die Innenstädte stehen vor einer Phase des Umbaus. Home-Office und verändertes Einkaufsverhalten könnten langfristig die Nachfrage nach Büro- und Handelsflächen drastisch verändern.

 

Große Handelsketten verkaufen online, statt im stationären Einzelhandel. Die Menschen shoppen im Netz, statt in der Einkaufspassage. Reiner Nagel: „Der Handel wird sich zukünftig konsolidieren. Bildungs- und Kulturinstitutionen werden sich zunehmend in den Innenstädten ansiedeln. Und: Wir brauchen konsumfreie Räume.“

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Michael Divé

Über den Autor

Michael Divé

Michael Divé ist Teamleiter Kommunikation und Pressesprecher der BUWOG in Deutschland.

Er leitet die Unternehmenskommunikation und die digitalen Kanäle der BUWOG in Deutschland und moderiert den Podcast GLÜCKLICH WOHNEN. Nach seinem Studium der Medienwirtschaft an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden und Toulouse (Frankreich) war er als Journalist und Medienmanager für verschiedene Medien und Unternehmen tätig.