Wie können Städte weiter wachsen, wenn kaum noch Baugrund vorhanden ist? Diese Frage steht im Zentrum von Folge 68 von „GLÜCKLICH WOHNEN – der BUWOG Podcast“. Im Gespräch der Architekt Peter Lorenz, Gründer und CEO von LORENZAteliers – über Strategien für eine urbane Zukunft durch Nachverdichtung, Aufstockung und den bewussten Umgang mit dem gebauten Bestand.
„Wohnqualität geht über die eigene Wohnung hinaus“
„Nachverdichtung ist ein natürlicher Prozess der Urbanisierung“, sagt Peter Lorenz im Gespräch. Ein Blick in die Geschichte zeigt: Der heutige Bedarf an Nachverdichtung ist das Ergebnis jahrzehntelanger funktionaler Trennung von Stadt und Nutzung. Die Charta von Athen der 1930er Jahre propagierte klar getrennte Bereiche für Wohnen, Arbeiten und Freizeit, ein Ansatz, der heute als überholt gilt. Gleichzeitig mahnt der Klimaschutz: Neue Baugebiete auf landwirtschaftlichen Flächen sind keine Option mehr. Die EU hat sich das Ziel gesetzt, den Netto-Null-Flächenverbrauch bis 2050 zu erreichen. Lorenz betont, dass sich das Gewerbe stark gewandelt hat. „Der Großteil des Gewerbes ist heute wohnverträglich.“ So wird eine Durchmischung möglich, die Vorteile für Infrastruktur, kurze Wege und Lebensqualität bietet.
Für den Experten Peter Lorenz liegt genau darin der Reiz seiner Arbeit: komplexe, dichte Stadtstrukturen zu entwickeln, die verschiedene Funktionen miteinander in Einklang bringen. „Es ist spannender, schwierige Architektur zu lösen“, sagt der Architekt. Mit seinem Team arbeitet er an Projekten, die Stadt neu denken, immer mit einem besonderen Augenmerk auf Materialität. „Für uns ist das Zusammenstellen der Materialien eine sehr wichtige Frage“, betont Lorenz. Materialien sollen im Zusammenspiel wirken und den Charakter eines Gebäudes prägen, ein Aspekt, der seiner Erfahrung nach oft unterschätzt wird.
Aufstocken und Vorstadt neu denken
Ein wesentlicher Teil der Nachverdichtung ist das Aufstocken bestehender Gebäude. Der Vorteil liegt auf der Hand: Die Infrastruktur ist bereits vorhanden. „Aufstocken wird seit Jahrhunderten gemacht“, erinnert Lorenz im BUWOG-Podcast. Dabei sind die architektonischen Qualitäten so unterschiedlich, wie die Architektinnen und Architekten selbst es sind. Doch Verdichtung bringt Zielkonflikte mit sich. „Das Einfache liegt hinter uns“, stellt Lorenz klar. Die Abstimmung verschiedener Interessen wie Wohnen, Gewerbe, Verkehr und Klima erfordert ein übergeordnetes Denken. „Dem Klimaschutz wird man mit einem unproduktiven Kampf um die eigenen Interessen nicht ermöglichen können.“
Konflikte entstehen besonders dort, wo Gewerbegebiete in gemischte Stadtquartiere umgewandelt werden sollen. Peter Lorenz: „In der Vorstadt wird antiurban gebaut. Gewerbegebiete werden kaum geplant, während man in der Innenstadt jede Türklingel genehmigen lassen muss.“ Seine Vision: aus Vorstädten echte Stadt zu machen. Öffentliche Räume spielen dabei eine zentrale Rolle, denn „Wohnqualität geht über die eigene Wohnung hinaus“.
Beispiele aus der Praxis: RIVUS Wien und SPORTCITY Ljubljana
Wie sich urbane Dichte in der Praxis umsetzen lässt, zeigen Projekte wie RIVUS in Wien, ein Projekt der BUWOG. Dort wurden verschiedene Nutzungen übereinandergestapelt: Parkhaus, Schule, Supermarkt und Sportfläche bilden gemeinsam ein kompaktes, funktionales Gebäudeensemble. „Statt vier Grundstücke haben wir durch Stapelung nur eines benötigt“, erklärt Lorenz. Mit einer Höhe von rund 15 Metern entstand ein urbanes Gebäude, das seit vier Jahren erfolgreich genutzt wird, auch wenn sich bisher nur wenige trauen, das Konzept nachzuahmen.

Ein weiteres Beispiel ist die ILIRIJA SPORTCITY in Ljubljana, die 2025 eröffnet wird. Das Projekt verbindet Denkmalschutz, Nachhaltigkeit und modernes Design. Auf dem Gelände des historischen Schwimmbads von 1929 entstand ein neues Olympiabecken mit 50-Meter-Bahnen mitten in der Innenstadt. „Unser Wunsch war: Macht daraus ein Stück Stadt, nicht nur ein Schwimmbad hinter Mauern“, erzählt Lorenz.
Zeitlose Architektur ist für ihn das Ziel: Gebäude, die auch in zehn Jahren noch überzeugen, funktional, ästhetisch und städtebaulich. „Wir möchten, dass ein heute entwickeltes Gebäude auch in zehn Jahren noch architektonisch überzeugend ist“, fasst Lorenz zusammen. Nachverdichtung, Aufstockung und die Entwicklung gemischter Stadtstrukturen zeigen, dass nachhaltige Stadtentwicklung vor allem dort gelingt, wo Bestehendes weitergedacht wird, mit Kreativität, Mut und einem offenen Blick für das Zusammenspiel von Architektur, Material und Mensch.
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