How2Kiez: Einfluss von Wohnungseigentümer:innen auf Nachbarschaften und Quartiersentwicklungen
Dr. Felix Bentlin, Stadtforscher und wissenschaftlicher Projektleiter an der Technischen Universität Berlin. Foto: Hahn
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How2Kiez: Einfluss von Wohnungseigentümer:innen auf Nachbarschaften und Quartiersentwicklungen

Dr.-Ing. Felix Bentlin ist wissenschaftlicher Projektleiter am Institut für Stadt- und Regionalplanung der Technischen Universität Berlin und zu Gast im BUWOG-Podcast. In seiner Studie „How2Kiez“ untersucht er unter anderem den Einfluss von Immobilieneigentümer:innen auf die Entwicklung von Quartieren. 

 

Die Technische Universität Berlin und das Maklerunternehmen Engel & Völkers haben in der Studie „How2Kiez“ untersucht, wie Besitzer:innen von Immobilien zur Attraktivität von Nachbarschaften beitragen können. Die Studie umfasst die Themenbereiche Klimaanpassung, Nutzungsmischung, Erdgeschosskonzepte sowie Mobilitätsmanagement und Micro-Hubs.

 

Doch was genau ist ein Kiez? Der besonders in Berlin gebräuchliche Begriff bezeichnet ein kleineres, gewachsenes Stadtviertel innerhalb einer größeren Stadt. „Geprägt sind Kieze durch soziale Beziehungen und eine eigene Identität“, erläutert Dr. Felix Bentlin. Während der Begriff Quartier eher eine städtebauliche Bedeutung hat, so ist also ein Kiez ein lebendiger, sozialer und kultureller Mikrokosmos.

 

Interessant: Selbstnutzer:innen und Wohneigentümergemeinschaften besitzen fast die Hälfte der Immobilien in Berlin. Damit beeinflussen sie maßgeblich auch die Quartiersentwicklung im Bestand. Sie spielen eine entscheidende Rolle bei der Transformation, ist sich Dr. Felix Bentlin sicher. „Der bisherige Fokus auf kommunale Handlungen wird für die zukünftige Weiterentwicklung der Quartiere allein nicht ausreichen.“

 

Und die Transformation ist notwendig, wenn auch kein neues Phänomen. Denn Städte entwickeln sich automatisch mit den sich wandelnden Menschen und Gesellschaften, so der Stadtforscher. Zuzug und Bevölkerungswachstum sind derzeit zusätzliche Treiber, während gleichzeitig der begrenzte urbane Raum zu Nutzungskonflikten und Umweltrisiken führt.

 

Ein wichtiger Aspekt für die notwendige Weiterentwicklung von bestehenden Quartieren ist der Klimawandel, der zu einem Anstieg von Hitzeinseln und Gesundheitsrisiken, besonders für vulnerable Gruppen, führt. Von „Stadtstrukturen im Stresstest“ spricht Bentlin. Die Stadtentwicklung muss daher Lösungen für diese Herausforderungen bieten und Planende müssen zwischen verschiedenen Zielen abwägen.

Handlungsfelder für nachhaltige Entwicklung

Klimaanpassungsmaßnahmen sind entscheidend, um Kiezstrukturen energetisch zu optimieren. Die gute Nachricht ist: Laut der Studie interessieren sich fast die Hälfte der befragten Immobilieneigentümer:innen (47 Prozent) für Themen der Stadt- und Quartiersentwicklung. „Kiezbrille“ nennt Dr. Felix Bentlin diese Perspektive. Und die ist wichtig, damit die Eigentümerschaft von städtischen Strukturen sich in den Wandel positiv einklinkt.

 

Die in der Studie befragten Eigentümer:innen sehen beispielsweise Potenziale in der Energieproduktion auf Dachflächen, Fassadenbegrünung, Entsiegelung der Innenhöfe und getrennten Leitungssystemen bei der Wasserversorgung. 70 Prozent der Befragten ordnen dem Thema Klimaanpassung eine hohe oder sehr hohe Wichtigkeit zu. Eine umfassende Umsetzung erfordert jedoch individuelle Lösungen, unterstützt durch öffentliche Förderungen und Beratungsangebote.

 

Ein weiterer Befund ist die große Bedeutung gemischter Nutzungsformen. Die Befragten schätzen eine Mischung aus Wohnen, Arbeiten, Freizeit und Versorgung, die die Lebensqualität steigert. Die Eigentümer:innen beziehen die Bedeutung dieser Diversität der Nutzungsformen jedoch weniger auf ihre Immobilie, sondern eher auf den öffentlichen Raum im Kiez.

 

Eine wichtige Erkenntnis der Studie: Eigentümer suchen Gesamtlösungen für die Erneuerung von Immobilien, was sowohl für die Immobilienwirtschaft als auch den Staat Potenzial bietet. „Eigentümerinnen können sehr wenig mit Meta-Themen anfangen“, so Dr. Felix Bentlin. Doch konkrete Maßnahmen wie die Installation einer Solaranlage machen die notwendigen Schritte greifbarer. Dies zeigt, dass die Transformation von Quartieren in Zukunft gemeinschaftliche Planungsaktivitäten und lokale Projekte erfordert, da Einzelpersonen die Herausforderungen nur schwer allein bewältigen können.

 

Auch ein Thema für die lokale Entwicklung von Kiezen ist die veränderte Mobilität. Nachhaltiges Mobilitätsverhalten wird durch fußgänger- und fahrradfreundliche Umgebungen gefördert, während E-Ladeinfrastrukturen und Stellplätze geschaffen werden. 65 Prozent geben an, dass Themen des Mobili­tätsmanagements im Quartier für sie sehr wichtig oder wichtig sind. Eine gut erreichbare ÖPNV-An­bindung und dichte Taktungen spielt für 70 Prozent der Befragten eine herausragende Rolle für die Immobilien- und Quartiersentwicklung, ausreichende Versorgung mit Stellplätzen nur für die Hälfte. Die Befragten messen Micro-Hubs bisher nur geringe Bedeutung (22 Prozent) bei. Diese kleinen, lokalen „Mobilitätszentren“ werden in Quartieren eingerichtet, um den Umstieg von einer auf die andere Mobilitätsform zu ermöglichen oder um die letzte Meile von Transportwegen effizienter mit umweltfreundlichen Transportmitteln zu gestalten.

Neue Konzepte für die Erdgeschosse

Erdgeschosse sind das Gesicht von Kiezen. Kleinteiliger Handel und vielfältige Gastronomie machen Kieze lebendig und lebenswert. Doch auch die Erdgeschosse sind vom Wandel betroffen. Das veränderte Konsumverhalten, maßgeblich geprägt durch den Kauf im Internet statt im kleinen Lädchen um die Ecke, beschleunigt solche Prozesse. Doch was tun, damit Erdgeschosse lebendig bleiben? „Kuratierte Erdgeschosse“ seinen für die Zukunft eine wichtige Idee, so Dr. Felix Bentlin im Podcast. Solche Bereiche werden gezielt und durchdacht gestaltet und genutzt, um soziale, wirtschaftliche oder kulturelle Ziele zu erreichen. „In den Erdgeschossen wird die Stadtatmosphäre, die Lebendigkeit der Stadt, das Zusammenkommen gestaltet“, so der Stadtforscher. Eine Möglichkeit wäre, Initiativen, Bildungseinrichtungen, Sozialdienste, Co-Working-Spaces und Manufakturen anzusiedeln. Auch wenn diese nicht die bisherigen Mieteinnahmen generieren und querfinanziert werden müssen, könne dies langfristig zu einer lebendigen Stadt führen.

 

Ob in Berlin oder anderswo: Stadtentwicklung ist kein Prozess, der sich ausschließlich zentral oder politisch steuern lässt. Vielmehr sind die Bewohnenden und Eigentümer:innen in den Kiezen und Quartieren selbst Auslöser von Veränderungen in der Stadt. Ihre Motive zu erkennen und ihren Gestaltungswillen positiv zu nutzen, ist eine Chance, um die ökonomische, ökologische und soziale Entwicklung von Kiezen und Quartieren in Kooperation mit Politik und Verwaltung voranzutreiben.

 

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Torsten Hahn

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