Um die Klimaziele zu erreichen und die CO2-Emissionen zu reduzieren, spielt der Gebäudebestand eine wichtige Rolle. Derzeit bleibt die Sanierungsquote jedoch hinter den Erwartungen zurück. Wie kann der Gebäudebestand fit für die Zukunft gemacht werden? Ein Interview mit Mag. Peter Engert, Geschäftsführer der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI).
Welche Chancen bietet die Sanierung im Bestand, welche Lösungen gibt es und wo müssen Hürden abgebaut werden? Die 56. Folge von „Glücklich wohnen – der BUWOG Podcast“ beschäftigt sich mit dem Thema „Energetische Sanierung von Wohnimmobilien“. Der Experte Peter Engert ist Geschäftsführer der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI).
Sanierungsbedarf: Eine Frage des Jahrgangs
Der Aufwand für die energetische Sanierung einer Immobilie variiert je nach Gebäudetyp, wobei vor allem das Baujahr eine entscheidende Rolle spielt, verrät Peter Engert. „In Österreich lassen sich die Gebäude grob in zwei Kategorien einteilen: jene, die vor 1938 errichtet wurden, und spätere Bauperioden“, so der Experte. Historische Gebäude, etwa mit Kastenfenstern, sind zwar aufwendiger zu sanieren, verfügen aber oft über eine solide Bausubstanz, die thermisch vergleichsweise einfach optimiert werden kann. Weitaus größere Herausforderungen stellen dagegen Gebäude aus der Nachkriegszeit dar. Aufgrund von Materialknappheit und Mangelwirtschaft in dieser Zeit sei die Bauqualität oft mangelhaft, so der ÖGNI-Geschäftsführer. Eine reine Sanierung dieser Gebäude lohne sich wirtschaftlich oft nicht – sinnvoller sei daher eine Kombination mit Ausbau, Erweiterung oder Aufstockung. „Alte Bausubstanz muss individuell betrachtet werden“, betont Engert. Das bedeutet zum einen, maßgeschneiderte Sanierungskonzepte zu entwickeln, und zum anderen, Genehmigungsverfahren so anzupassen, dass die Besonderheiten historischer Gebäude stärker berücksichtigt werden.
Fakt ist auch: Derzeit wird zu wenig saniert, um die Klimaziele im Gebäudebestand zu erreichen. Um die Sanierungsquote zu erhöhen, sollten Entscheidungs- und Genehmigungsprozesse künftig deutlich beschleunigt werden, so der Experte. Dank innovativer Technologien sind energetische Sanierungen heute effizienter und kostengünstiger umsetzbar als je zuvor. Vor allem im Bereich der Anlagentechnik habe sich viel getan, erklärt Peter Engert. So gebe es inzwischen effiziente Lösungen, um Mehrfamilienhäuser zentral zu beheizen – individuelle Heizsysteme für einzelne Wohneinheiten sind nicht mehr nötig. „Entscheidend für den Erfolg von Sanierungsprojekten ist jedoch die sorgfältige Abstimmung der einzelnen Maßnahmen.“
Ein Beispiel für eine gelungene energetische Sanierung ist für den ÖGNI-Geschäftsführer der Ringturm in Wien. Der markante Büroturm am Donaukanal wurde von der ÖGNI zertifiziert und erfüllt damit die ab 2021 geltenden Klimaschutzanforderungen. Als Unternehmenszentrale der VIG und der Wiener Städtischen Versicherung beweist der 1955 eröffnete Ringturm, dass auch Bürogebäude aus den 1950er Jahren durch gezielte energetische Optimierung taxonomiekonform werden können.
Baustoffe effizient nutzen
Der Abriss alter Gebäude sei aus ökologischer Sicht kaum vertretbar, betont der Geschäftsführer der ÖGNI. Er fordert gezielte Anreize, auch in die Jahre gekommene Bestandsgebäude zu erhalten und zu sanieren statt abzureißen und neu zu bauen. Das sei auch eine Frage des Ressourcenverbrauchs in der Bauwirtschaft. „Europa ist kein Kontinent mit unbegrenzten Baustoffressourcen“, stellt Engert klar. Umso mehr müsse dies Ansporn sein, Baustoffe effizient einzusetzen und bereits verbautes Material wiederzuverwenden.
Bei der Auswahl nachhaltiger Baustoffe sieht Engert eine klare Rangfolge: An erster Stelle steht die Langlebigkeit, gefolgt von der Wiederverwendbarkeit und erst dann die Möglichkeit der Aufbereitung, des Upcyclings oder Recyclings. „Wiederverwendung ist die beste Lösung, Recycling die schlechteste“, so der Experte im BUWOG-Podcast.
Nachhaltiger Bestand: Zauberwort Taxonomie
Positiv sieht Peter Engert als ersten Schritt die Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie bis Mai 2026, um zunächst die energetisch schlechtesten Gebäude zu sanieren. Als zweiten Schritt plädiert er für Garantien für attraktive Kredite, da die reine Förderungen allein aus seiner Sicht nicht ausreichen wird, um Eigentümer:innen bei der Umsetzung zu unterstützen. „Es braucht ein Umdenken hin zu einem gemeinschaftlichen Vorgehen.“ Dabei dürfe der Blick nicht nur auf das einzelne Gebäude gerichtet werden – vielmehr müsse das gesamte Umfeld miteinbezogen werden. „Damit zum Beispiel im Zuge von Sanierungen auch neue Grünflächen im Umfeld oder Fassadenbegrünungen entstehen.“ Ein Beispiel, das zeigt: Beim Thema Nachhaltigkeit im Gebäudebestand gilt es mehr denn je, das Silodenken wirklich zu überwinden und gemeinsam an einem Strang zu ziehen.
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