Die Digitalisierung verändert die Bau- und Immobilienbranche grundlegend. Neue Technologien eröffnen Möglichkeiten, Prozesse zu beschleunigen, Transparenz zu erhöhen und Effizienz zu steigern – sowohl bei der Planung als auch beim Betrieb von Immobilien. Im Rahmen der Veranstaltung STADT.RAUM.MENSCH wurde zusammen mit dem Verlag Der Tagesspiegel die dritte Live-Folge des BUWOG-Podcast „GLÜCKLICH WOHNEN“ aufgezeichnet. Zum Thema „Digitale Wege für die Zukunft des Bau- und Immobiliensektors“ diskutierten Politik, Forschung und Praxis mögliche Chancen für die urbane Entwicklung.
Eingangs schilderte Daniel Riedl, Mitglied im Vorstand von Vonovia, in einem Impulsvortrag die konkreten Chancen der Digitalisierung für die Immobilienwirtschaft.
Als anschauliches Beispiel für moderne Stadtentwicklung stellt er das Quartier „52 Grad Nord“ in Berlin-Grünau vor. Das einst industriell genutzte Areal wurde in ein innovatives Wohnquartier umgewandelt, das mit nachhaltiger Wärmeerzeugung, einem zentralem Retentionsbecken nach dem Schwammstadtprinzip und innovativen Bauweisen zu überzeugen weiß. Insbesondere wenn es um den Wissenstransfer zwischen Digitalisierung, Innovation und konkreter Projektentwicklung geht, sieht Riedl noch Nachholbedarf. Um diesen Austausch zu fördern und konkrete Lösungen für nachhaltiges und leistbares Bauen zu ermitteln und in Anwendung zu bringen, wurde der Construction Contest ins Leben gerufen. Daniel Riedl: „Wir wollen digitale Innovationen in der Bau- und Immobilienwirtschaft fördern und Start-ups, Innovationsunternehmen und diejenigen, die Planen und Bauen zusammenbringen.“ Die Lösungen der mittlerweile ermittelten Sieger sollen nun im Hinblick auf einen konkreten Einsatz bei einem BUWOG-Projekt geprüft werden. Ziel: Günstigeres, nachhaltigeres und schnelleres Planen und Bauen.
Wichtige Voraussetzung: Urbane Dichte
Im ersten Teil der Veranstaltung geht es um die politische Sicht auf die Digitalisierung von Bauprozessen und den notwendigen Modernisierungsschub in der öffentlichen Verwaltung. Moderiert wird die Diskussion von Ruth Ciesinger, verantwortliche Redakteurin beim Tagesspiegel. Christian Gräff (CDU), Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin, betont die Notwendigkeit, Verwaltungsprozesse effizienter zu gestalten: „Wenn wir Prozesse digitaler machen, werden sie auch transparenter.“ Gerade bei Bauanträgen könnte die Digitalisierung viel bewegen, „indem sie die Kommunikation zwischen Bauherren und Ämtern verbessere und den Verwaltungsaufwand reduziere“, so Gräff. In der „Genehmigungsfiktion“ – also der automatischen Genehmigung eines Antrags, wenn er nicht innerhalb einer bestimmten Frist bearbeitet wurde – sieht Gräff einen zentralen Ansatzpunkt, um die Effizienz der Behörden zu steigern.
Auch Andreas Audretsch (Bündnis 90/Die Grünen), Mitglied des Bundestages, betont den Nachholbedarf bei der Digitalisierung und sieht die Genehmigungsfiktion positiv: „Das ist ein wichtiges Instrument, um langwierige bürokratische Prozesse abzukürzen.“ Zudem: „Wenn wir es schaffen würden, dass die Daten laufen und nicht die Menschen, würde am Ende viel weniger Aufwand in den Behörden und Bauunternehmen entstehen und letztendlich besonders die Bevölkerung profitieren.“
Michael Müller (SPD), ebenfalls Mitglied des Bundestages, wirbt für mehr urbane Dichte: „Wir werden in Berlin höher und dichter bauen und unsere Flächen intensiver nutzen müssen“, so der ehemalige Regierende Bürgermeister. Nur so könne „ausreichend Wohnraum geschaffen, Grünflächen erhalten und die Nachhaltigkeitsziele erreicht“ werden. Er betont auch das Potenzial des seriellen Bauens, bei dem standardisierte Baupläne zu schnelleren Genehmigungsverfahren führen könnten. Um diese Prozesse zu optimieren, müsse aber auch das Mitspracherecht der Bezirke angepasst werden. „Wir brauchen dafür eine Verfassungsänderung in Berlin“, so der eindringliche Appell von Michael Müller.
Vom digitalen Bauantrag bis zur Bienen-Drohne
Im zweiten Teil der Veranstaltung steht die zentrale Frage im Raum, wie die digitale Transformation dazu beitragen kann, Städte lebenswerter und nachhaltiger zu gestalten. Miriam Schröder, Redakteurin beim Tagesspiegel, moderiert die Diskussion, in der Wirtschaft und Wissenschaft zum Thema Stadtentwicklung aufeinandertreffen. Eva Weiß, Geschäftsführerin der BUWOG Bauträger GmbH, erläutert die praktische Seite der Digitalisierung im Bauwesen und spricht offen über die Hürden bei der Umsetzung von Konzepten wie der Genehmigungsfiktion. Dieses Konzept werde oft durch bürokratische Schlupflöcher ausgebremst, da die Baubehörden Abweichungen melden, die die Genehmigungsfrist immer wieder zurücksetzten. Großes Potenzial sieht Eva Weiß jedoch in der Typengenehmigung, bei der ein in einem Bundesland genehmigter Bauplan ohne erneute Prüfung auch in anderen Bundesländern genehmigt werden könnte. „Wir wollen den Prozess von A bis Z digital begleiten und integriert planen“, betont sie. Als weiteres Beispiel für die digitale Zukunft des Bauens stellt Weiß ein Kooperationsprojekt zwischen Vonovia, VSK Software und der Stadt Bochum vor, bei dem eine digitale Lösung zur automatisierten Prüfung von Bauanträgen entwickelt wurde. Ziel: Die Dauer und Komplexität von Genehmigungsverfahren reduzieren und sowohl Wirtschaft wie auch Bauämter entlasten. So könnten „bis zu 95 Prozent der Antragsprüfung vorab digital und automatisiert erfolgen, was den Prüfaufwand erheblich reduziert“, erläutert Eva Weiß. Mittlerweile ist eine Testphase erfolgreich abgeschlossen und die Software wird bei Neubauprojekten zur Prüfung von 3D-Modellen eingesetzt.
Stephan Kögl, General Manager bei Siemens Real Estate, stellt die Frage in den Mittelpunkt, wie Städte durch digitale Innovationen gestaltet werden können. „Die Stadt muss lebenswert sein, die Menschen müssen sich wohlfühlen“. Ein besonders faszinierendes Beispiel seiner Arbeit ist der Siemensstadt Square in Berlin Spandau, wo Honigbienen als „natürliche Drohnen“ zur Überwachung der pflanzlichen Biodiversität eingesetzt werden. Mit Hilfe der DNA-Metabarcoding-Technologie werden die Pollenproben der Bienen analysiert und wertvolle Informationen über die Artenvielfalt gewonnen – ein eindrucksvoller Beweis, wie digitale Technologien auch in der Stadtplanung zum Naturschutz beitragen können.
Dr. Hans-Hermann Albers, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Stadt- und Regionalökonomie der TU Berlin, beleuchtet den Wandel urbaner Zukunftsbilder: von der technikorientierten Sichtweise der 1960er Jahre, in der Städte vor allem als funktionale Maschinen gesehen wurden, bis hin zu heutigen Visionen, die zunehmend ökologische Aspekte einbeziehen. Die moderne Stadt, so Albers, verbindet grüne Elemente und nachhaltige Materialien wie Holz mit fortschrittlicher Technologie. Diese neuen Ansätze integrieren digitale Lösungen in den Bauprozess und verknüpfen sie mit umweltfreundlichen Konzepten. Die Zukunft der Städte und Quartiere sie ist auch digital, aber eben nicht nur.
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