Wie finden Menschen sich in komplexen Umgebungen zurecht? Im Quartier, im Hochhaus oder in einem großen Bürokomplex? In Folge 63 von „GLÜCKLICH WOHNEN – der BUWOG Podcast“ geht es um „Signaletik“: Um visuelle Orientierungssysteme, die durch den öffentlichen und privaten Raum leiten und an Bedeutung gewinnen. Ob Wegweiser, Schilder, Piktogramme oder Bodenmarkierungen: Gut gestaltete Leitsysteme schaffen Übersicht und Identität von Quartieren.
Zu Gast ist Nathanaël Gourdin, Inhaber von Studio Gourdin und Experte für Leitsysteme und Kommunikation im Raum. Im Gespräch im BUWOG-Podcast erklärt er, wie Gestaltung Barrieren abbauen kann und warum Signaletik mehr ist als nur schöne Beschilderung. Ein Signal macht auf sich aufmerksam, und genau das ist die Aufgabe von Signaletik: Sie sorgt dafür, dass wir Gebäude, Areale und öffentliche Räume intuitiv erfassen können. Sie kennzeichnet Orte, vermittelt Informationen und hilft dabei, Wege zu finden und Entscheidungen zu treffen – ganz gleich ob im Krankenhaus, im Wohnquartier oder im Park.
„Signaletik ist die Bedienungsanleitung für Räume, Orte und Areale“, so der Experte. Besonders an neuen, unbekannten Orten ist Signaletik wie eine Visitenkarte, sie schafft den ersten Kontakt, prägt den Eindruck und entscheidet darüber, ob ein Raum als zugänglich und einladend wahrgenommen wird. Nathanaël Gourdin und sein Team verstehen ihre Arbeit als Schnittstelle zwischen Architektur und Grafikdesign. Sie entwickeln Orientierungssysteme, die den Geist eines Ortes sichtbar machen und die Nutzerschaft auf klare, aber unaufdringliche Weise leiten. Dabei geht es nicht nur um Wegweiser und Piktogramme, sondern auch um Typografie, Farbgebung und Materialität, idealerweise im Einklang mit der umgebenden Architektur. Die Schrift ist immer die Grundlage, erklärt Gourdin, dann folgen Farbe und Material. Seine Erfahrungen als Designer und Dolmetscher prägen seine Arbeit: Kommunikation muss präzise, zielgerichtet und kontextsensibel sein. „Beim Übersetzen muss man den richtigen Ton treffen und die passenden Worte finden“, so der Experte.
Signaletik schafft Atmosphäre, Identität und Teilhabe
Signaletik trägt wesentlich zur Atmosphäre, Identität und Emotionalität eines Ortes bei – ein relevantes Thema, auch etwa bei neuen Wohnquartieren, die bezogen und eingelebt werden wollen. Hier kann Signaletik die Funktionalität mit der Gestaltung verbinden und so die Aufenthaltsqualität spürbar verbessern, sei es in Wohngebäuden, Büros oder öffentlichen Einrichtungen. Ein Beispiel: Während es an Bahnhöfen und Flughäfen in erster Linie um Effizienz geht, lässt sich durch gezielte Gestaltung auch ein einladendes Umfeld schaffen. „Am Flughafen Köln-Bonn wurde die klassische, funktionale Beschilderung beispielsweise durch farbenfrohe Piktogramme und Silhouetten von Menschen und Objekten ergänzt“, berichtet Gourdin im Podcast. Das Ergebnis ist eine einladende Atmosphäre, „in der sich Reisende willkommen und wahrgenommen fühlen“, so der Experte.
Auch Piktogramme sind ein zentrales Element der Signaletik, sei es auf Handys, Webseiten oder im öffentlichen Raum. Doch nicht jedes Symbol wird von allen Menschen gleichermaßen verstanden. Nathanaël Gourdin berichtet von einem Projekt an einer Grundschule, bei dem klassische Toiletten-Piktogramme durch kindgerechte Darstellungen ersetzt wurden. „Solche einfachen Lösungen können eine große Wirkung entfalten. Denn Signaletik muss klar, direkt und inklusiv sein, unabhängig von Sprache, Kultur oder Alter.“
Die eigentliche Herausforderung besteht oft darin, Informationen präzise und zugleich knapp zu vermitteln. Das verlangt viel Fingerspitzengefühl, auch im Umgang mit bestehenden Gebäuden und historischer Architektur. Dies zeigt ein Projekt für die Semperoper Dresden. „Dort soll die Signaletik gut sichtbar sein, gleichzeitig jedoch so dezent gestaltet werden, dass sie die Architektur nicht dominiert.“ Dabei müssen also sowohl der Denkmalschutz wie auch das bestehende Corporate Design berücksichtigt werden. „Signaletik ist hier Bestandteil des Gebäudes, repräsentiert aber oft auch eine Institution“, so der Experte.
Wie gute Signaletik durch Quartiere leitet
Bei neuen Quartieren übernimmt Signaletik oft die Mittlerfunktion. Denn: „Quartiere können für Außenstehende wie eine Barriere wirken“, berichtet der Designer. Regeln des Miteianders und der Umgang mit Gebäuden und halböffentlichen Bereichen müssen sich noch einspielen und erlernt werden – ein Stück weit auch eine Kulturtechnik. Ist das Areal offen und öffentlich zugänglich oder handelt es sich um ein geschlossenes Grundstück? Gibt es dort Geschäfte, und darf mein Kind den Spielplatz nutzen? Gerade in autofreien Quartieren, in denen viele Wege zu Fuß zurückgelegt werden, ist eine klare Orientierung besonders wichtig. Das gilt insbesondere für Zugezogene, Menschen, die zu Besuch kommen und nicht zuletzt auch für den Lieferdienst, der zu Fuß den richtigen Hauseingang sucht. Die Orientierung wird da häufig erschwert. Denn: „Viele Neubauquartiere entstehen in kurzer Zeit und die Architekturen ähneln sich stark. Unterschiede zwischen Gebäuden oder Hauseingängen sind manchmal auf den ersten Blick kaum erkennbar. Genau hier setzt Signaletik an. Sie macht Orte für Kinder ebenso lesbar und zugänglich wie für ältere Menschen.“
Positive Entwicklung in der Praxis: Signaletik wird immer häufiger bereits frühzeitig in die Planung eingebunden, was sich für alle Beteiligten als vorteilhaft erweist. „In den vergangenen Jahren ist auch in der Immobilienwirtschaft das Bewusstsein für den Mehrwert guter Signaletik deutlich gewachsen. Ihr Nutzen und ihre gestalterische Bedeutung werden zunehmend erkannt, insbesondere weil die Relevanz hochwertiger und ansprechender Architektur wieder stärker in den Fokus rückt.“
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