Mehr Tempo beim nachhaltigen Bauen
Zu Gast im BUWOG-Podcast: Prof. Dr.-Ing. Natalie Eßig von der Hochschule München über Chancen, Herausforderungen und konkrete Lösungen für mehr Nachhaltigkeit im Bauwesen.
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Mehr Tempo beim nachhaltigen Bauen

In dieser Folge von „Glücklich wohnen – der BUWOG Podcast“ spricht Michael Divé mit Prof. Dr.-Ing. Natalie Eßig über Hürden, Chancen und konkrete Lösungen für eine nachhaltigere Bauwirtschaft. Die Architektin und Professorin für Baukonstruktion und Bauklimatik an der Hochschule München setzt sich dafür ein, dass ressourcenschonendes Bauen zur Selbstverständlichkeit wird.

 

„Wir sprechen immer noch von weniger als 10 Prozent des Bauvolumens, die tatsächlich nachhaltig gebaut werden“, erklärt Natalie Eßig. Doch warum kommt der Wandel so langsam voran? Die Professorin und Mitgründerin des Bau-Instituts für Ressourceneffizientes und Nachhaltiges Bauen (BiRN) nennt drei zentrale Hemmnisse: Erstens die grundsätzliche Trägheit der Branche. Veränderungen brauchen Zeit, die Anpassung von Gewohnheiten tut manchmal weh, und oft braucht es gesetzliche Standards und gezielte Fördermaßnahmen, um wirklich voranzukommen. Ein Beispiel ist das Passivhaus – ein Baustandard, der bereits vor rund 20 Jahren entwickelt wurde, aber erst in jüngster Zeit mehr Aufmerksamkeit erhält. Zweitens fehlt es an Wissen. „In den letzten 20 Jahren wurde nachhaltiges Bauen in der Aus- und Weiterbildung vernachlässigt“, sagt Eßig. Ohne fundiertes Wissen bleibt es schwierig, nachhaltiges Bauen flächendeckend umzusetzen. Drittens hält sich hartnäckig das Vorurteil, nachhaltiges Bauen sei teurer. Das trifft jedoch nur zu, wenn ausschließlich die Baukosten betrachtet werden. Bei einer langfristigen Berechnung, die auch die Betriebskosten über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes einbezieht, erweist sich nachhaltiges Bauen als die wirtschaftlichere Lösung.

Alte Bauweisen neu gedacht: Gesunde Materialien im Fokus

„Aus der Vergangenheit lernen – wie kann ich alte Bautechniken heute wieder integrieren?“ Diese Frage hält Natalie Eßig für entscheidend, um nachhaltiges Bauen voranzubringen. Sie fordert „mehr Low-Tech statt immer nur High-Tech“. Der Fokus sollte nicht ausschließlich auf teuren technologischen Lösungen liegen, sondern auch auf einfachen, effektiven Techniken, die ressourcenschonend und nachhaltig sind. Früher folgte der Bau oft einem bewährten Prinzip: ein massives Erdgeschoss, darüber ein Obergeschoss aus Holz, ergänzt durch regionale Materialien wie Lehm. „Reflexion ist wichtig: Was war vor 100 Jahren besser, was ist heute besser? Was ist damals schiefgelaufen und was läuft heute nicht optimal?“, so die Architektin. Ihr Ansatz ist es, traditionelle Bauweisen mit modernen Techniken zu verbinden, um nachhaltige Lösungen zu entwickeln – insbesondere bei der Wahl von Baustoffen wie Lehm. Nachhaltigkeit umfasst jedoch nicht nur Energieeffizienz, Barrierefreiheit und Klimaschutz – auch die Gesundheit der Bewohnenden spielt eine zentrale Rolle. Auch hier ist die Wahl der Baumaterialien von großer Bedeutung.

Mut, Verantwortungsbewusstsein und der Blick auf den Bestand

Obwohl der Handlungsdruck in Sachen nachhaltiges Bauen steigt, ist das notwendige Umdenken in der Baubranche und in der Gesellschaft noch nicht vollständig angekommen. Ein Beispiel: Die durchschnittliche Größe von Einfamilienhäusern ist zwar von 160 auf 140 Quadratmeter gesunken – ausschlaggebend dafür war aber nicht eine bewusste Reduktion des Flächenverbrauchs im Sinne der Nachhaltigkeit, sondern vor allem die gestiegenen Kosten, berichtet Natalie Eßig. Dabei müsste der Flächenverbrauch pro Kopf deutlich sinken, um den Anforderungen einer nachhaltigen Zukunft gerecht zu werden. Die Architektin fordert mehr Mut und Verantwortungsbewusstsein in der Branche und plädiert für einfacheres Bauen – etwa mit dem Gebäudetyp E, der nachhaltiges, aber unkompliziertes Bauen ermöglicht. Statt sich von juristischen Fallstricken ausbremsen zu lassen, brauche es mehr Raum für kreative Lösungen und schnelle, pragmatische Entscheidungen. Im Podcast erklärt Natalie Eßig außerdem, warum die „Leistungsphase 0“ der Schlüssel für nachhaltiges und kostengünstiges Bauen sein kann. Und für sie steht fest: Der Bestand ist die Zukunft. „Nachhaltigkeit darf nichts Besonderes mehr sein – sie muss in den Alltag und die tägliche Arbeit im Bauwesen integriert werden.“

 

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Torsten Hahn

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