Serielles und modulares Bauen gilt als vielversprechende Lösung, um den Wohnungsbau schneller, nachhaltiger und kostengünstiger zu gestalten. Doch wie praxistauglich ist das Bauen in Serie wirklich? Welche Chancen bietet es – und wo liegen die Herausforderungen? Diese Fragen standen im Mittelpunkt der ersten Berliner Ausgabe von „BUWOG im Gespräch“. Wer nicht live dabei sein konnte, kann die Diskussion jetzt als Podcast-Episode 55 nachhören.
Zur Auftaktveranstaltung im Ludwig-Erhard-Haus in Berlin begrüßt Daniel Riedl, Vorstandsmitglied von Vonovia und verantwortlich für das Development der BUWOG in Deutschland und Österreich, eine hochkarätige Expert:innenrunde. Auf dem Podium diskutieren Sun Jensch, Geschäftsführerin der Koalition für Holzbau, Eva Weiß, Geschäftsführerin der BUWOG Bauträger GmbH, und Prof. Dr. Katharina Kleinschrot, Expertin für Bauverfahrenstechnik und zirkuläre Wertschöpfung an der TU Dresden. Komplettiert wird die Runde durch Markus Fuhrmann, CEO und Mitgründer von GROPYUS. Durch den Abend führt Moderator Michael Divé, Pressesprecher Deutschland der BUWOG.
Serielles Bauen in der Smart Factory: Impulsvortrag von Markus Fuhrmann
Den inhaltlichen Einstieg liefert ein Impulsvortrag von Markus Fuhrmann, CEO und Co-Founder von GROPYUS. Sein Unternehmen setzt auf seriell gefertigte Holz-Hybrid-Mehrfamilienhäuser, um Baukosten zu senken und Bauzeiten um bis zu 50 Prozent zu verkürzen. Möglich macht das eine hochautomatisierte Smart Factory in Baden-Württemberg, in der 50 Roboter Wände und Deckenelemente produzieren. „So sieht für uns moderner serieller Wohnungsbau aus“, sagt Fuhrmann. Die Produktion kann im Dreischichtbetrieb laufen, künftig sollen dort 200 Mitarbeitende rund 3.500 Wohnungen pro Jahr fertigen. GROPYUS versteht den Wohnungsbau nicht als klassischen Bauprozess, sondern als Produktentwicklung – mit dem Ziel, Gebäude effizienter, nachhaltiger und intelligenter zu machen. Dabei geht es nicht nur um Geschwindigkeit, sondern auch um Digitalisierung. Ein echter Game-Changer: „Wir denken zuerst Software und Prozess und bauen dann die reale Welt um die Software herum“, erklärt Fuhrmann. GROPYUS entwickelt softwaredefinierte Gebäude, in deren Mittelpunkt digitale Prozesse und ein zentrales Gebäudebetriebssystem stehen. Dieses integriert Smart-Home-Technologien, optimiert das Facility Management und ermöglicht vorausschauende Wartung – ein echter Mehrwert für Eigentümer:innen und Bestandshalter. Nachhaltigkeit spielt ebenfalls eine zentrale Rolle. „Unser Tragwerksystem besteht aus Holz, lediglich die Treppen müssen aus Brandschutzgründen aus Beton sein“, erklärt Fuhrmann. Durch die Holzbauweise sowie den Einsatz von Wärmepumpen und Solarpaneelen kann der Verbrauch an grauer Energie deutlich reduziert werden – GROPYUS strebt hier Einsparungen von bis zu 40 Prozent im Vergleich zu Referenzgebäuden an. „Wir haben volle Transparenz über unsere Gebäude – von jeder Schraube über das Drehmoment bis hin zum Energieverbrauch jedes Roboters“, erklärt Fuhrmann. Diese detaillierte Datenerfassung erleichtert Wartung und Sanierung und schafft die Grundlage für einen ressourcenschonenden Rückbau am Ende des Lebenszyklus. Doch welche Rahmenbedingungen braucht die serielle und modulare Bauweise, um ihr volles Potenzial zu entfalten? Diese Frage steht im Mittelpunkt der anschließenden Podiumsdiskussion.
Regulierung und Akzeptanz: Was bremst den modularen Holzbau?

Die Runde ist sich soweit einig: Die Vorteile des seriellen und modularen Bauens sind unbestritten, aber es gibt Hindernisse – vor allem regulatorische. Sun Jensch, Geschäftsführerin der Koalition für Holzbau, macht deutlich: „Bauen ist politisch – und politisch sind auch die Hürden“. Dennoch hat die Politik erkannt, dass serielles und modulares Bauen ein Weg aus der Wohnungsbaumisere sein kann. Diese Bauweise ist nicht nur ressourcenschonend und recyclebar, sondern bietet auch ein gesünderes Wohnumfeld. Allerdings gibt es noch Akzeptanzprobleme in der Gesellschaft. Viele Kund:innen sind dem Holzbau gegenüber skeptisch – oft aufgrund überholter Vorurteile zu Holzwürmern, Schimmel oder Brandgefahr. Fachleute wissen: Diese Bedenken sind unbegründet und Vorbehalte längst überholt.
Ein weiteres Hemmnis ist der Mangel an Architekt:innen mit Erfahrung im Holzbau. „Bei jeder öffentlichen Ausschreibung muss ein Architekturbüro sechs realisierte Referenzobjekte vorweisen“, erklärt Sun Jensch. Da es bisher nur wenige Holzbauprojekte gibt, entsteht damit ein Teufelskreis: Ohne vorhandene Referenzprojekte werden kaum neue Holzbauten realisiert, was den Fortschritt weiter bremst.
Ein entscheidender Schritt zu mehr Nachhaltigkeit ist auch die lückenlose Dokumentation von Baustoffen und Bauteilen. Hier setzt sich die Koalition für den Holzbau für den Gebäuderessourcenpass ein – ein Konzept, das sich besonders gut im seriellen Bauen umsetzen lässt. Ziel der Initiative ist es, dass jedes fünfte neue Gebäude aus Holz gebaut wird. Dass dies realistisch ist, zeigt ein Blick in die Niederlande: Die Metropolregion Amsterdam hat im Rahmen eines „Green Deal Holzbau“ festgelegt, dass ab 2025 mindestens 20 Prozent aller Neubauten aus Holz oder anderen organischen Baustoffen bestehen sollen.
Ein großes Hindernis für den Fortschritt des seriellen und modularen Bauens sind die uneinheitlichen Bauordnungen der Bundesländer. In Deutschland gibt es 16 verschiedene Bauordnungen, die die Umsetzung von Bauprojekten erheblich erschweren – insbesondere im seriellen und modularen Bauen. „Sobald eine Landesgrenze dazwischen liegt, habe ich sofort ein neues Problem und fange wieder bei null an“, berichtet Eva Weiß, Geschäftsführerin der BUWOG Bauträger GmbH.
Ein vielversprechender Lösungsansatz ist die Typengenehmigung, also die standardisierte Zulassung eines gesamten Bausystems anstelle einzelner Gebäude. „Wir stehen in Sachsen bereits im Austausch mit dem Bauministerium, um ein GROPYUS-Gebäude als System zu genehmigen“, berichtet Weiß. Gelingt dies, könnte die serielle Holzbauweise in Deutschland in großem Maßstab umgesetzt werden – ein entscheidender Schritt, um diese Bauweise langfristig zu etablieren. In einer strategischen Partnerschaft mit GROPYUS will man das Thema serielles, modulares, systemisches Bauen voranbringen und damit auch den nachhaltigen Holzbau in Deutschland und Österreich. Ein erstes Neubauprojekt mit 27 Wohnungen in Holzrahmenbauweise entsteht derzeit in Berlin, ein weiteres ist schon in Planung.
Damit serielles und modulares Bauen erfolgreich ist, braucht es ein Umdenken bei allen Projektbeteiligten, so Eva Weiß. „Die Planung muss von Anfang an darauf ausgerichtet sein, dass standardisierte Baueinheiten zu einem Gebäude für ein konkretes Grundstück zusammengesetzt werden.“ Ein Gebäude zunächst unabhängig zu planen und erst später zu prüfen, ob serielle oder modulare Bauweisen anwendbar sind, sei nicht optimal. Gleichzeitig müssen nachhaltige Bauweisen wirtschaftlich attraktiv sein, was nur durch Skaleneffekte gelingt. Diese erfordern Standardisierung und hohe Stückzahlen. „Alles, was hinter der Wand liegt und statisch notwendig ist, kann standardisiert werden“, betont Eva Weiß. Heißt: „Alles, was die Kund:innen nicht sehen, kann vereinheitlicht werden.“ Dennoch bleibt Raum für Individualisierung: Fassaden, Bodenbeläge und andere sichtbare Gestaltungselemente müssen flexibel anpassbar sein, um eine hochwertige, ästhetische Architektur zu ermöglichen.
Nachhaltigkeit und Zirkularität: Die Zukunft des modularen Bauens

Prof. Dr. Katharina Kleinschrot lenkt den Blick auf ein weiteres zentrales Thema: die Zirkularität. Sie betont, dass serielles und modulares Bauen weit über den Holzbau hinausgeht: „Diese Bauweise hat eine enorme Bedeutung für die Kreislaufwirtschaft“. Das gelte nicht nur für Holz, sondern auch für andere Materialien wie Stahlbeton und technische Gebäudeausrüstung. Standardisierte Bauteile lassen sich am Ende ihres Lebenszyklus besser recyceln. Im europäischen Vergleich spielt Deutschland beim Fertigteilbau jedoch eine untergeordnete Rolle und liegt auf dem letzten Platz. Dabei bietet diese Bauweise unter Nachhaltigkeits- und Wirtschaftlichkeitsaspekten große Vorteile. Ressourcenschonung und Abfallvermeidung gehören zu den zentralen Stärken des modularen Bauens, die bislang noch zu wenig kommuniziert werden. „Im nachhaltigen Bauen liegen die Geschäftsmodelle der Zukunft“, so Prof. Dr. Kleinschrot. Serielles und modulares Bauen nutzt Materialien effizienter und erleichtert durch standardisierte und lösbare Verbindungen den Rückbau sowie das Recycling am Ende des Lebenszyklus. Auch die technische Gebäudeausrüstung lässt sich modular realisieren und leichter demontieren. Der höhere Restwert von Gebäuden mit seriellen Bauelementen macht diese Bauweise zusätzlich attraktiv. Ein verpflichtendes Rückbau- bzw. Demontagekonzept für Neubauten könnte diese Entwicklung weiter vorantreiben und das serielle Bauen langfristig etablieren.
Und wie steht es generell um die Lebensdauer der „Wohnungen vom Fließband“? Markus Fuhrmann betont, dass ein Holzhaus genauso lange halten kann wie ein konventionelles Gebäude. „Es gibt jahrhundertealte Holzhäuser, die heute noch genutzt werden.“
Bei GROPYUS wird auch bereits mit neuen Materialien experimentiert, um nachhaltige Alternativen zu herkömmlichen Baustoffen zu entwickeln. So bestehen Gipskartonplatten heute zu einem großen Teil aus Nebenprodukten der Kohleverbrennung, eine Ressource, die mit dem Ausstieg aus der Kohleverstromung teurer wird oder ganz wegfällt. „Deshalb testen wir mit Partnern Lehmplatten, die möglicherweise Gipskartonplatten ersetzen können“, erklärt Fuhrmann. Auch andere ökologische Materialien wie Pilzdämmung, Stroh und Zellulose werden getestet, um nachhaltige und ressourcenschonende Bauweisen voranzutreiben.
Die Zukunft des Bauens, sie hat bereits begonnen.
Jetzt die ganze Folge hören!
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