Healing Architecture: Architektur und Gesundheit
Die Expertin Prof. Dr. Birgit Dietz ist zum Thema "Healing Architecture" im BUWOG-Podcast GLÜCKLICH WOHNEN zu Gast. Foto: bifada
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Healing Architecture: Architektur und Gesundheit

Wie kann Architektur Gesundheit fördern, Stress reduzieren und das Wohlbefinden steigern? Mit diesen Fragen beschäftigt sich Folge 69 von „GLÜCKLICH WOHNEN – der BUWOG Podcast“ mit Prof. Dr. Birgit Dietz im Interview.

 

Prof. Dr. Birgit Dietz leitet in Bamberg ihr Architekturbüro sowie das Bayerische Institut für alters- und demenzsensible Architektur. Das Institut forscht, lehrt und berät bundesweit zu Fragen der gesundheitsfördernden Gestaltung von Gebäuden und Räumen. Zusätzlich lehrt Prof. Dr. Dietz an der Technischen Universität München im Bereich Krankenhausbau.

 

„In Amerika wird eher von Supportive Architecture gesprochen“, erklärt Prof. Dietz. Dieser Begriff beschreibt ihrer Ansicht nach treffender, worum es geht. „Architektur kann Heilung nicht unmittelbar bewirken, sie kann jedoch Heilung unterstützen, Barrieren abbauen und präventiv wirken“, so die Expertin. Faktoren wie Akustik, Licht, Orientierung und räumliche Atmosphäre tragen dazu bei, Stress zu reduzieren und Sicherheit zu vermitteln.

 

Die Prinzipien der Healing Architecture gelten nicht nur für Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen oder Hospize. Viele Erkenntnisse lassen sich auf Quartiere, Büros und Wohngebäude übertragen. „Menschen wollen länger in ihrem vertrauten Wohnumfeld bleiben. Dafür müssen wir Räume schaffen, die Teilhabe ermöglichen und unterstützen“, betont Dietz.

Wahrnehmung, Farben und Barrieren

Healing Architecture rückt die Bedürfnisse sehr unterschiedlicher Nutzergruppen in den Mittelpunkt. Dazu gehören Menschen mit kognitiven Einschränkungen oder Demenz, aber ebenso Kinder, Menschen mit Autismus oder mobilitätseingeschränkte Personen. „Der Unterstützungsbedarf wächst“, sagt Dietz. Eine alternde Gesellschaft braucht Räume, die Orientierung erleichtern und Unsicherheiten vermeiden.

 

Viele Verbesserungen sind einfach umsetzbar. Lichtschalter sollten sich klar vom Hintergrund abheben. Türgriffe, Handläufe oder Beschilderungen benötigen gut erkennbare Positionen. Auch Farben spielen eine zentrale Rolle. Ältere Menschen nehmen kühle Töne wie Blau und Grün schlechter wahr, während warme Farben deutlicher zu erkennen sind. „Pastellfarben oder weiße Flächen können zu Unsicherheit führen, wenn Türen oder Schränke dadurch kaum unterscheidbar sind“, erklärt Dietz im BUWOG-Podcast.

 

Hinzu kommt die Perspektive: Personen mit Rollator sehen den Raum anders als Menschen, die viel liegen. Prof. Dietz beschreibt dies als „Fußspitzenperspektive“ und „Kopfkissenperspektive“. Orientierungspunkte an Wänden oder in der Decke werden je nach Blickwinkel unterschiedlich wahrgenommen. Eine Lampe direkt im Sichtfeld kann stören, fehlende Kontraste erschweren die Orientierung. Gute Planung berücksichtigt daher verschiedene Perspektiven, setzt klare visuelle Anhaltspunkte und erleichtert so Sicherheit, Orientierung und Selbstständigkeit.

Geräusche, Orientierung und Atmosphäre

Akustik ist ein weiterer zentraler Aspekt. „Lärm erzeugt Stress“, sagt Dietz. Ältere Menschen können akustische Reize häufig nicht mehr gut filtern. Unklare Geräusche, Türschläge oder technische Anlagen führen schnell zu Überforderung. Eine ruhige und klare Klangumgebung unterstützt hingegen das Wohlbefinden.

Auch die Orientierung innerhalb eines Gebäudes oder einer Anlage ist wichtig. Wegeführung, Bepflanzung und die Gestaltung von Eingangsbereichen können intuitiv zeigen, wo man sich befindet. „Ein Vordach, ein markanter Baum oder ein Farbkonzept zeigen intuitiv, wo der Eingang liegt“, so Dietz. Moderne, sehr glatte Fassaden wirken ästhetisch, können aber für Nutzerinnen und Nutzer eine große Herausforderung darstellen.

Interdisziplinäres Denken und gesellschaftliche Verantwortung

Healing Architecture erfordert die Zusammenarbeit vieler Disziplinen wie Architektur, Psychologie, Medizin und Soziologie. Birgit Dietz engagiert sich deshalb auch im Architekten für Krankenhausbau und Gesundheitswesen e. V. Sie wünscht sich, dass funktionierende Projekte sichtbarer werden und die Relevanz des Themas stärker in der Branche ankommt.

„Wir müssen genauer hinschauen, was wirklich gebraucht wird“, sagt Prof. Dietz. „Architektur kann viel dazu beitragen, Barrieren zu beseitigen und Teilhabe zu ermöglichen.“ In Zeiten des demografischen Wandels gewinnt diese Aufgabe weiter an Bedeutung und reicht weit über den klassischen Gesundheitsbau hinaus.

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Michael Divé

Über den Autor

Michael Divé

Michael Divé ist Teamleiter Kommunikation und Pressesprecher der BUWOG in Deutschland.

Er leitet die Unternehmenskommunikation und die digitalen Kanäle der BUWOG in Deutschland und moderiert den Podcast GLÜCKLICH WOHNEN. Nach seinem Studium der Medienwirtschaft an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden und Toulouse (Frankreich) war er als Journalist und Medienmanager für verschiedene Medien und Unternehmen tätig.