Grüne Rückzugsorte: Wie Freiflächen und Parks unsere Städte formen
Diana Moraweck und Sascha Ratayski von LA21 Landschaftsarchitektur
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Grüne Rückzugsorte: Wie Freiflächen und Parks unsere Städte formen

Zum Finale der zehnten Staffel von „GLÜCKLICH WOHNEN – der BUWOG Podcast“ geht es ins Grüne: In dieser Folge steht alles im Zeichen von Freiflächen, Parks und begrünten Stadträumen. Zu Gast sind Sascha Ratayski und Diana Moraweck, die mit ihrem Büro LA21 Landschaftsarchitektur große Freiräume für Wohnprojekte, Kommunen, Kliniken und Bestandshalter planen. Was macht eine gute Freifläche aus, wie können lebendige grüne Quartiere entstehen und wie viel Grün braucht es, insbesondere aus stadtklimatischer Perspektive?

 

Grüne Freiflächen sind für das Leben in der Stadt unverzichtbar. Doch unter dem Begriff fällt weit mehr als nur der klassische Stadtpark. „Bei Freiflächen haben die meisten Menschen sofort Parkanlagen im Kopf“, sagt Landschaftsarchitekt Sascha Ratayski. Dabei prägen auch weniger offensichtliche Elemente das grüne Gesicht der Stadt: Straßenbegleitgrün, begrünte Innenhöfe, Fassaden- oder Dachbegrünungen. Auch versiegelte Flächen wie Plätze oder Straßen zählen zu den Freiflächen. Sie bieten jedoch großes Potenzial, künftig begrünt zu werden, weiß Expertin Diana Moraweck. Früher dominierten breite Straßen und große Parkplätze das Stadtbild, heute steht die Entsiegelung im Fokus. Dieser Wandel verbessert Stadtklima, Umwelt und Aufenthaltsqualität und erhöht den Anteil der Versickerungsflächen. „Aus stadtökologischer wie auch aus sozialer Sicht sind diese Grünräume von zentraler Bedeutung“, so Moraweck. Denn sie verbessern die Luftqualität, kühlen überhitzte Stadtbereiche und nehmen bei Starkregen überschüssiges Wasser auf.

Darüber hinaus fördern sie die Artenvielfalt. „Das Berliner Straßenbaumkataster listet über 400 verschiedene Baumarten“, berichtet die Expertin. In kleineren Städten sind es oft nur ein Drittel davon. Gleichzeitig sind Freiflächen auch soziale Orte. Sie schaffen Aufenthaltsqualität, fördern Begegnung und sollen für alle Menschen nutzbar sein, unabhängig von Alter oder Einkommen. Unter diesem Aspekt spielt neben der Qualität und Größe grüner Rückzugsorte insbesondere ihre räumliche Verteilung im Stadtgebiet eine zentrale Rolle.

Wie viel Grün braucht die Stadt?

Für Menge, Qualität und Erreichbarkeit von Grünflächen bietet die sogenannte 3-30-300-Regel eine Orientierung. Entwickelt wurde sie vom niederländischen Stadtforscher Cecil Konijnendijk von der University of British Columbia. Die Regel besagt: Jede Person sollte von ihrem Fenster aus 3 Bäume sehen können, jedes Stadtviertel sollte zu mindestens 30 Prozent von Baumkronen bedeckt sein, und niemand sollte mehr als 300 Meter bis zur nächsten öffentlich zugänglichen Grünfläche zurücklegen müssen. Expertin Diana Moraweck: „Städte wie Amsterdam oder Malmö haben diese Empfehlungen bereits in ihre Stadtplanung integriert.“ Auch in Deutschland übernehmen einige Kommunen bereits eine Vorreiterrolle: „Freiburg verfolgt ambitionierte Ziele, Leipzig verfügt mit 42 Quadratmetern öffentlichem Grün pro Einwohner über einen sehr guten Wert.“ Zum Vergleich: Das Umweltbundesamt empfiehlt mindestens 15 bis 20 Quadratmeter, ab 30 Quadratmetern gilt die Versorgung als besonders gut. Städte wie Hannover, und München schneiden ebenfalls gut ab. In Berlin liegt der Wert bei rund 27 Quadratmetern, was angesichts der gestiegenen Bevölkerungsdichte als solides Ergebnis gilt.

Ein gelungener Park verbindet viele Funktionen

Landschaftsarchitekt Sascha Ratayski betont die Bedeutung eines weiteren Aspekts: „Neben Biodiversität und Klimafunktion ist die Aufenthaltsqualität entscheidend.“ Ein Blick ins Ausland zeige interessante Ansätze: In Rumänien etwa, wo das öffentliche Leben stärker im Freien stattfindet, wurde in der Stadt Oradea ein Marktplatz nach dem Shared-Space-Prinzip neugestaltet. „Unterschiedliche Nutzungen greifen dort ineinander, Nutzungen vom Wochenmarkt bis hin zu Kirchenprozessionen.“ Gutgestaltete Parks und Grünflächen sollten also heute vielseitig gestaltet sein, rät Ratayski. Sie nehmen Regenwasser auf, bieten Raum zum Spielen und Verweilen und können als Überflutungsflächen oder Mulden zur temporären Wasseraufnahme dienen, ohne die Aufenthaltsqualität zu beeinträchtigen. Zudem gewinnen Elemente wie Hitzeschutzräume, Brunnen und Fontänen zunehmend an Bedeutung, ergänzt die Expertin Diana Moraweck. Immer häufiger sieht man im Stadtbild auch Nebelduschen, die ein niederschwelliges und für die Menschen kostenloses Angebot sind, sich an heißen Tagen Abkühlung zu verschaffen – eine positive Entwicklung.

Ein in der Praxis jedoch oft unterschätzter Aspekt ist der Betrieb und die Pflege von Parks und Freiflächen. Auch Freiflächen haben eine begrenzte Lebensdauer und müssen irgendwann rückgebaut beziehungsweise erneuert werden. Gute Planung denkt deshalb den gesamten Lebenszyklus mit und bindet alle relevanten Akteure frühzeitig ein. Die Bundesstiftung Baukultur, bei der LA21 Fördermitglied ist, setzt sich gezielt dafür ein, dieses Bewusstsein in der Branche zu stärken. „Landschaftsarchitektur ist auch ein Spiegel der Gesellschaft“, findet Ratayski. Sie greift gesellschaftliche Werte auf, übersetzt sie in gestaltete Räume und prägt damit das Stadtbild. Deshalb finden sowohl sorgfältig angelegte Parks als auch naturnahe Wiesen mit Blühflächen und liegen gelassenem Totholz zunehmend Akzeptanz. Entscheidend sei dabei eine transparente Kommunikation über die gestalterischen Hintergründe. „Grünanlagen sind jedoch nur dann wirklich gelungen, wenn sie sich an den Bedürfnissen der Menschen orientieren, die sie nutzen.“

Mehr Raum für Grünflächen in der Stadt

Richtig ist auch: Grünflächen brauchen Platz, doch gerade in Städten ist Boden ein knappes Gut. Ein großes Potenzial liegt daher auf den Dächern, hier gibt es noch viele ungenutzte Flächen. Dachbegrünungen leisten dabei doppelte Dienste: Sie unterstützen die Regenwasserrückhaltung und schaffen zusätzliche Aufenthaltsräume. Manche Dächer werden sogar für die urbane Lebensmittelproduktion genutzt oder bieten Lebensraum für Bienenvölker, wie etwa beim Stephansdom in Wien. Ein Grund, warum Dachbegrünungen bislang noch selten umgesetzt werden, liegt nach Einschätzung des Experten in der meistens getrennten Betrachtung von Baukosten und Betriebskosten. „Zwar ist die Errichtung zunächst teurer, doch im laufenden Betrieb bringen begrünte Dächer ökologische und wirtschaftliche Vorteile.“ Neben der Klimawirkung steigern sie auch den Immobilienwert, besonders, wenn sie als nutzbare Dachgärten gestaltet sind. Diana Moraweck sieht ebenfalls große Chancen für mehr Grünflächen in der Stadt. Aber: „Grünfläche geht nicht ohne Verkehrswende. Wo ein Auto steht, kann keine Grünfläche sein.“ Städte wie Paris und Kopenhagen machen vor, wie durch die Förderung des Radverkehrs und des öffentlichen Nahverkehrs Flächen umgewidmet und neue Räume für Grün geschaffen werden können.

 

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Jennifer Nülle

Über den Autor

Jennifer Nülle

Zuständigkeit bei der BUWOG: Digital Marketing Managerin Deutschland

Jennifer Nülle arbeitete nach ihrem Studium in mehreren Firmen im Bereich Online Marketing. Bei der BUWOG übernimmt sie die digitalen Aufgaben, unter anderem die Website-Betreuung.