Wie können nachhaltiges Bauen und bezahlbarer Wohnraum vereinbart werden? Welche Voraussetzungen müssen dafür erfüllt werden und was bedeutet das für urbane Gebiete? Die zweite Live-Folge unseres Podcasts begleitet die Veranstaltung STADT.RAUM.MENSCH vom Verlag der Tagesspiegel zusammen mit der BUWOG. Diskutiert wird mit Vertreter:innen aus Politik, Wissenschaft und der Immobilienbranche über Städte im Übergang zur Kreislaufwirtschaft und die Herausforderungen steigender Baukosten.
Die Diskussion über nachhaltiges Bauen und bezahlbaren Wohnraum ist in Zeiten knappen Wohnraums und steigender Kosten von großer Relevanz. Bei der zweiten Ausgabe der Veranstaltungsreihe STADT.RAUM.MENSCH steht die Frage im Mittelpunkt, wie eine klimaneutrale Stadt bezahlbar und zugleich nachhaltig gestaltet werden kann. Expert:innen aus Politik, Wissenschaft und Immobilienbranche bringen hierzu ihre Perspektiven und Lösungsansätze im Rahmen eines Entscheider:innen-Frühstücks ein, bei der auch diesmal eine Live-Folge unseres Podcasts „GLÜCKLICH WOHNEN – der BUWOG PODCAST“ entstanden ist.
Es diskutierten: Daniela Billig (Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, Grüne), Dominik Campanella (Geschäftsführer von Concular, dem digitalen Ökosystem für zirkuläre Immobilien), Prof. Dr. Elisabeth Endres (Leiterin des Instituts für Bauklimatik und Energie der Architektur, TU Braunschweig), Dr. Jan-Marco Luczak (Mitglied des Bundestags und Mitglied im Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen, CDU) und Sybille Mai (Leading Consultant bei EPEA Environmental Protection Encouragement Agency im Beratungsunternehmen Drees & Sommer). Moderiert wurde die Diskussion von Stephan-Andreas Casdorff, Herausgeber von Der Tagesspiegel.
Herausforderungen und Chancen der Kreislaufwirtschaft
Die Zahlen sind besorgniserregend: Aus der Bauwirtschaft stammen 60 % des Abfalls und 40 % der CO2-Emissionen hierzulande. Vor diesem Hintergrund drängen immer mehr Städte und Unternehmen auf den Übergang zur Kreislaufwirtschaft, also zur Circular Economy.
Die Circular Economy im Immobilien- und Städtebau zielt darauf ab, den Lebenszyklus von Gebäuden zu verlängern, Ressourcen zu minimieren und Abfälle zu reduzieren, indem Materialien wiederverwendet und recycelt werden. Dies umfasst die Förderung von nachhaltigen Baustoffen, die Implementierung energieeffizienter Systeme und die Schaffung von flexiblen Gebäudekonzepten, um die Anpassungsfähigkeit und Langlebigkeit von Immobilien zu verbessern. Besonders die Umnutzung von Immobilien von Gewerbe zu Wohnen ist ein wichtiges Thema.
Vom Abfall zur Ressource
Ob Stahl, Beton, Ziegel oder Kunststoffe: In den Bestandsgebäuden schlummern wertvolle Materialien. Wichtig ist herauszufinden, welche Materialien in Bestandsbauten verbaut sind, um Potenziale für zirkulären Rückbau und Rückführung in zirkuläre Wertschöpfungsketten zu identifizieren. „Der Klimawandel wird auf der Baustelle entschieden“, verdeutlicht Dominik Campanella. Sein Unternehmen Concular ist einer der Marktführer für zirkuläres Bauen, berät und transformiert den Gebäudesektor in Richtung Circular Economy und hat einen digitalen Gebäuderessourcenpass entwickelt. „Wir müssen konsequent die Materialien in Gebäuden digitalisieren.“ Es ist wichtig, alle Lebenszyklusphasen eines Gebäudes zu berücksichtigen, um die Zirkularität von der Planung über Bestandssanierung bis zum Rückbau zu erfassen. Dadurch werden CO2-Emissionen, Ressourcenverbrauch und Abfall sichtbar, was eine wichtige Entscheidungshilfe für Umbau oder Abriss darstellt und letztendlich Entsorgungskosten einspart und die CO2- und Abfallbilanz verbessert.
Im Gespräch wird auch der Cradle-to-Cradle-Ansatz hervorgehoben, der über die lineare Kreislaufwirtschaft hinausgeht, indem eine geschlossene Schleife geschaffen wird, in der Materialien entweder biologisch abgebaut oder in den technischen Kreislauf zurückgeführt werden. Es wird klar, dass Recycling nicht gleich Recycling ist. Darüber hinaus wird die Vision von Zero Waste Cities und die Rolle der Sharing Economy als Möglichkeit betont, Ressourcen gemeinschaftlich zu nutzen, um auch dadurch den Ressourcenverbrauch zu reduzieren.
Klimaresilienz: Die Stadt im Wandel
Sybille Mai vom Forschungs- und Beratungsinstitut EPEA ist auf die Implementierung solcher Cradle-to-Cradle-Lösungen spezialisiert. Sie betont den Faktor Klimawandel für Stadtplanung und Architektur: „Wir müssen unsere Städte umgestalten zu klimaresilienten Städten.“ Die Gebäude müssten dazu beitragen, die Lebensqualität in den Städten zu erhalten und zu sichern. Hier sei insbesondere Bürgerbeteiligung für die Akzeptanz nachhaltiger Stadtentwicklung von großer Bedeutung. Es sei entscheidend, das Wissen über diese Themen breit zu vermitteln, um eine effektive Umsetzung zu gewährleisten.
Vereinbarkeit von Nachhaltigkeit, Energieeffizienz und bezahlbarem Wohnraum
Die Runde ist sich einig, dass die steigenden Grundstückspreise und Baukosten eine zunehmende Herausforderung darstellen, besonders vor dem Hintergrund eines schrumpfenden Wohnungsangebots und einer steigenden Nachfrage in vielen Ballungsräumen. Die Frage nach der bezahlbaren Nachhaltigkeit im Immobilien- und Städtebau steht im Fokus des zweiten Teils des Entscheider:innen-Frühstücks.
Um schneller die ökologischen Ziele zu erreichen, muss Nachhaltigkeit im Bau stärker politisch und gesetzlich verankert werden, aber „es braucht keine neuen Gesetze und Vorschriften“, gibt Prof. Dr. Elisabeth Endres ihren Standpunkt wieder. Es brauche eher weniger Vorschriften und keine Effizienzdiskussionen oder Förderprogramme, führt sie an. Der Flächenbedarf pro Kopf ist zu groß und steigt sogar noch – genauso wie die Zahl der Ein-Personen-Haushalte, die tendenziell mehr Wohnraum haben.
Nachhaltiges Bauen müsse nicht teurer sein, so die Wissenschaftlerin. Für leistbares Bauen sei aber notwendig, von einigen existierenden Baustandards abzuweichen und multifunktionale Räume zu schaffen. So kann beispielsweise im Neubau einer Schule die Mensa gleichzeitig als Aula genutzt oder die Klassenzimmergröße etwas reduziert werden, führt Prof. Dr. Elisabeth Endres exemplarisch an. Bezahlbar bedeutet zukünftig ein so einfaches Bauen wie möglich. „Wir müssen dazu kommen, dass Bauen günstiger wird – sonst wird Mieten irgendwann nicht mehr bezahlbar“, mahnt auch Dr. Jan-Marco Luczak. Der baupolitische Sprecher der CDU-CSU-Bundestagsfraktion sieht ebenfalls eine Lösung in der Senkung übertriebener Baustandards. Das Problem sei aber die Haftung der am Bau beteiligten Gewerke etwa bei Umsetzung des Gebäudetyps E. Bei Schadensfällen beurteilen Gutachter entsprechend den „anerkannten Regeln der Technik“, also anhand der Baustandards. Gibt es Abweichungen, könnten Planende und andere Baubeteiligte haften – ein Risiko, das kaum jemand gerne übernimmt.
Bei der Schaffung von neuem Wohnraum spielt der Neubau von Quartieren eine zentrale Rolle, ist sich die Runde einig. Wie kann dabei auch eine nachhaltige Verkehrsinfrastruktur gelingen? Und welche Rolle spielt die Beteiligung von Bürger:innen sowohl bei der Planung großer Stadtentwicklungsprojekte als auch für deren Akzeptanz? Diese Fragen werden STADT.RAUM.MENSCH weiterhin beschäftigten – die dritte Veranstaltung ist bereits in Planung.
Jetzt die ganze Folge hören!
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